Kürzlich war ich bei Susanne Ackstaller und ihrem Blog Texterella im Montagsinterview zu Gast. Es geht in diesem Interview um Mode und Schönheit, um Sichtweisen auf diese beiden Themen heute, im Vergleich zu früher. Ich bekam auf dieses Interview sehr viele nette Rückmeldungen, aber auch ein paar kritische. Über eine dieser kritischen Feedbacks denke ich jetzt schon länger nach. Sie kam von einer Frau, um einige Jahre älter ist als ich, und lautete: „Ist man mit 50 wirklich schon „älter“? Ich war damals voller Energie!“
Ist es nicht spannend, wie unterschiedlich wir auf das Älterwerden blicken? Was wir mit Alter und Älterwerden assoziieren? Wie wir Alter kategorisieren und interpretieren? Für mich als Alternswissenschaftlerin wieder und wieder hochinteressant und ich muss dabei immer an meine großartige Uniprofessorin Sol Haring denken, mit der wir im Gerontologie-Studium stundenlang darüber diskutierten, auf welche Weise wir Menschen Alter konstruieren (wobei: eigentlich konstruieren wir unser gesamtes Leben und unser Selbst, aber das ist ein anderes spannendes Thema).
Für jeden Menschen beginnt Alter an einer anderen Stelle und jeder Mensch verbindet auch mit Alter etwas anderes. Abhängig ist der persönliche Blick auf Alter, also das individuelle Altersbild des einzelnen Menschen, vom eigenen Lebensalter, von Erfahrungen, die mit alten Menschen gemacht wurden, von persönlichen Altersvorbildern und von der gesellschaftlichen Sicht auf Alter, etwa von der Stellung Älterer in der Gesellschaft.
„Ist man mit 50 wirklich schon „älter“? Ich war damals voller Energie!“ meinte also die Frau im Kommentar zum Montagsinterview und gab mit dieser Aussage unbewusst Auskunft über ihr eigenes Altersbild. Alt bzw. älter ist aus Sicht dieser Frau, wer Energie verloren hat, wer weniger Energie hat. Daher ist für sie auch jemand, der über Energie verfügt noch nicht älter, sondern…? Jung?
Vielleicht hat diese Frau irgendwann jemanden erlebt, der im höheren Alter (also nach 50) Energie verloren hat. Vielleicht ist die Frau aber auch selbst schon weit über 50 und erlebt sich jetzt, aufgrund eines Energieabfalls, als älter und betrachtet jede 50 Jährige rückblickend als jung. An dieser Stelle kann gerne gedanklich weiter gesponnen werden.
Mir ist beim Nachdenken sofort eine alte Dame eingefallen, die ich in der Altenpflege kennengelernt hatte. Sie war 104 Jahre alt und lästerte über das „junge Gemüse“ im Seniorenheim, wobei dieses „junge Gemüse“ 80 aufwärts war. Und ich erinnere mich mit Grauen daran, wie ich mich mit 35 selbständig machen wollte im Bereich 50plus-Marketing. Ich war ganz begeistert von der Idee, Firmen dazu zu bringen, ihre Produkte für alte Menschen zu verbessern. Dass die 50 Jährigen in meinem Umfeld mich aber fragten, ob ich noch richtig ticken würde, kränkte mich. Ich fühlte mich missverstanden. Heute als selbst 52 Jährige denke ich mir: „Wie überheblich warst Du denn damals?“
Alter ist also eine Sache der Betrachtung, eine individuelle und eine gesellschaftliche Konstruktion. Für 100 Jährige sind 80 Jährige jung, für 30 Jährige sind 50 jährige Menschen alt. Und auch in der Selbstbetrachtung ist Alter nicht zuzuordnen. Manche Frauen meinen alt zu sein, wenn die Menopause eintritt und andere Frauen wieder betrachten sich mit 80 Jahren noch als „junggeblieben“ und würden das Attribut „alt“ von sich weisen.
Aber ab wann ist man nun als Frau „älter“? Darauf muss es doch eine Antwort geben!
Nein, darauf gibt es keine Antwort. Wann sich eine Frau als älter oder alt bezeichnet, ist einzig und alleine Sache dieser Frau. Es ist ihr Bild von Alter, es sind ihre Erfahrungen, es ist ihr Blickwinkel. Es gibt hier auch kein richtig oder falsch. Jede Frau hat trägt ihre Definition von Alter in sich. Und, was ich besonders spannend finde, diese Definition wird sich im Laufe des Älterwerdens wandeln. Je älter wir werden, umso klarer wird unser Blick auf unser Leben und auch auf unser Altern.
Für mich persönlich beginnt das Älterwerden mit der Lebensmitte. Um die 40/45 beginnt aus meiner Sicht der Prozess des Älterwerdens, weil ich vielfach erlebt habe, wie Menschen in dieser Lebensmitte plötzlich ihre Endlichkeit erkennen. Diese Wahrnehmung, dass nicht mehr endlos Zeit zur Verfügung steht, dass das halbe Leben schon vorbei ist, führt bei vielen Frauen dazu noch einmal durchzustarten oder sich zu fragen: „Was will ich eigentlich noch erleben?“
Ich assoziiere das Älterwerden also nicht mit Energieverlust, sondern mit einer erhöhten Wahrnehmung wie kostbar unsere Lebenszeit ist. Älterwerden heißt für mich bewusster zu leben, genauer hinzusehen was ich will, genauer zu unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig. Nicht alles gefällt mir am Älterwerden, aber ich erleben das Älterwerden als spannende Lebensphase
Und Du? Wann fängt für Dich das „Älterwerden“ an?
Susi meint
„Älter werden“ ist für mich erstmal komplett wertfrei. Wir werden ja alle ständig älter: als Baby, als Teenager, als Anfangsdreißigerin, als 65-jährige. Aber es fühlt sich doch anders an, ob man nun 25 wird oder 55. Das ist zum einen physiologisch bedingt, aber auch gesellschaftlich.
Ich möchte auf Texterella eigentlich nur erreichen eines: dass sich Frauen nicht aufgrund einer Zahl älter fühlen als sie sind.
Sonja Schiff meint
:-) ein wichtiges ansinnen!
Karin Austmeyer meint
Mitte 50 habe ich so langsam begonnen über die Endlichkeit des Lebens nachzudenken. Auch bei mir hat das nichts mit Energieverlust zu tun, sondern mit der Erkenntnis, dass der Rest des Lebens kleiner ist, als der vergangene.
suzie meint
ja wir werden von geburt an älter. erstmal finden wir das ja lustig, weil wir damit ein mehr an möglichkeiten assoziieren („wenn ich 16 bin und ein moped lenken darf“, so war es bei mir). dann aber gehen irgendwann möglichkeiten verloren: „ich kann jetzt sprechen. sprechen LERNEN kann ich nicht mehr.“ (also der zugang zur sprache ist jetzt bereits erlernt. man fängt nie GANZ neu an – außer als baby. vielleicht las ich das bei canetti?)
ich nehme für mich in anspruch, dass ich eben alt bin, es sein DARF. also jung bin ich mal sicher nicht. ist auch egal. jugend ist ja kein wert an sich.
krankheiten sind natürlich eine schwierige sache. die endlichkeit des lebens auch.
Claudia Braunstein meint
In der Gegenwart meiner Kinder und ihrer Freunde, die sind alle zwischen Anfang 20 und Anfang 30 bin ich schlichtweg alt. So jung kann ich mich selber gar nicht fühlen. Im Umfeld meiner Eltern, die sehr jung sind, nämlich 71 und 74 bin ich das älter Kind und trotzdem jung. Es kommt nicht allein darauf an, wie man sich fühlt, sondern in welchem Umfeld man sich bewegt. Gerade in der Bloggerszene ein viel besprochenes Thema. BloggerInnen jenseits der 40, von 50 will ich gar nicht reden, sind absolute Exoten und werden nur langsam wahrgenommen. Egal ob von LeserInnen, KollegInnen oder Kooperationspartnern. Jetzt bin ich sehr jung, morgen um 6 Uhr , wenn zur Wahl geht vermutlich uralt , weil mir der morgendliche Schönheitsschalf fehlen wird ;-) Liebe Grüße, Claudia
Michaela meint
Ich denke gerade sehr darüber nach – du weißt, ich werde in einigen Tagen 50. Die ganze Zeit überlege ich schon, ob ich mich jetzt anders fühlen soll/muss. Und je nach Bereich meines Seins fühle ich mich jung und/oder alt.
Ich selbst fühle mich in mir oft noch so jung und manchmal auch etwas unreif, kann manchmal wirklich nicht erkennen, ob ich mit 30/40 wirklich anders gedacht habe, weil ich so in mich hineinwachse. Als kinderlose Frau kann ich mich auch nicht an den eigenen Kindern messen, da habe ich manchmal so meine gedanklichen Probleme.
Wenn ich mit langjährigen Freundinnen zusammen bin, lachen wir herzlich – es fühlt sich das Zusammensein oft an wie vor 30 Jahren. Die Gespräche werden grundsätzlich reifer, aber die Themen sind irgendwie dieselben wie vor 30 Jahren (nicht immer, aber wenn es mal nicht so tiefsinnig ist :-) )
Dannn gibt es noch den Arbeit-such-Markt, da bekomme ich seit Jahren immer wieder den Stempel der älteren Arbeitnehmerin aufgedrückt – mittlerweile schon ab 40.
Für die Gesellschaft bin ich eine ältere Frau – maximal Werbe-Zielgruppe für Produkte, um die Menopause zu überstehen *zwinker“.
In mir bin ich immer noch alles – reif, weise, jung, kindisch, alt, jung, unreif und in mich hineinwachsend und ich gehe davon aus, dass es so bleibt – bis zum letzten Atemzug.
CHRISTIANE Blandow meint
Hallo.ich heiße Christiane,bin 55 und wäre gerne ÄLTER. Ich habe eine Identitätsstörung,die bedingt.dass ich mich nach der Einordnung als „ältere Frau“ sehne.
Leider habe ich bisher kaum Fältchen,und ich leide sehr darunter. Ich style mich wie eine ältlicheDame,wäre gerne 5-10 Jahre älter als ich tatsächlich bin. Ihr seht,es gibt nichts was es nicht gibt.
Waltraut Soeth meint
Hallo Christiane, jetzt bin ich aber neugierig. Warum möchtest Du denn älter sein? Das ist sehr ungewöhnlich.
Ich bin jetzt 66 und habe schon einige chronische Krankheiten und es kommt immer mehr dazu. Allerdings habe ich diese schon seit 10 – 20 Jahren.
Ist es denn nicht schön wenn man jünger ist und noch mehr Möglichkeiten hat als 10 Jahre später.
Das würde mich wirklich sehr interessieren.
Helga Liedtke meint
Ich bin schon 67 und fühle mich jünger als ich bin. Ich interessiere mich noch für viele Dinge, habe Kontakt zu anderen Menschen, die teilweise jünger sind als ich.
Die Einstellung ist meiner Ansicht ausschlaggebend.