Manche Tage haben es in sich. Noch dachtest du, du wärst ein guter Mensch, eine tolle Freundin, eine super Partnerin. Plötzlich merkst Du, Du bist manchmal auch einfach nur ein Ar……….ch. Du hast Mist gebaut. Wie damit umgehen?
Wir alle konstruieren unsere persönliche Wirklichkeit. Was wir denken – über uns selbst, über andere Menschen, über Situationen, Erfahrungen oder Begegnungen – ist unsere persönlich konstruierte Wirklichkeit oder anders gesagt, unsere Wahrheit. Diese unsere Wirklichkeit versuchen wir nach außen darzustellen, wir zeigen anderen vor allem, was wir an uns mögen, was wir an unserer Art zu leben, gut finden. Wir versuchen in unserer Außendarstellung als Person immer gut aussteigen, in einem positiven Licht zu stehen – vor anderen, aber auch vor uns selbst. Doch nicht alles was wir tun, ist gut, selbstlos oder positiv. Manchmal sind wir alle auch ziemliche Idioten oder verhalten uns wie Arschlöcher. Von diesen Momenten erzählen wir in der Regel jedoch niemandem, wir glauben – vor allem in der Welt der Sozialen Medien – unsere Fehler, unser Fehlverhalten verstecken zu müssen. Wir schämen uns heimlich, gehen der Situation oder dem betroffenen Menschen aus dem Weg oder entwickeln zur Aufrechterhaltung unserer inneren heilen Welt Argumente, die unser Versagen rechtfertigen. Auf diese Weise bringen wir unsere Wirklichkeit quasi wieder in Ordnung.
Vor über 10 Jahren, als ich diesen Blog hier eröffnet habe, habe ich mir vorgenommen, tabulos über mich selbst zu schreiben und mich auch zu zeigen, wenn ich nicht im positiven Licht stehe. Warum? Einfach weil ich glaube, dass wir alle Menschen sind und damit auch alles, was das Menschsein ausmacht, erleben. Was mich beschäftigt, beschäftigt auch andere. Womit ich im Leben kämpfe, damit kämpfen auch andere. Darum heute wieder einmal ein Blogbeitrag, in dem ich mich mit großer Offenheit zeige. Thema: Ich habe Scheiße gebaut. Ich war ein richtiges Arschloch.
Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, noch etwas vorab über mich. Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich selbst, aber auch an andere, vor allem an FreundInnen. Ich erwarte mir in Freundschaften vom Gegenüber hohe Selbstreflexionsfähigkeit und viel Solidarität. Selbstreflexion ist für mich ein absolutes „must“ im Miteinander. Nichts langweilt und ärgert mich mehr an anderen Menschen als fehlende Selbstreflexion. Sein Tun oder Nicht-Tun nicht anzuschauen und kritisch zu beleuchten, ist für mich ein No-Go. Und auch Solidarität ist für mich ein hohes Gut. Wenn mir jemand, dem ich nah bin, Solidarität versagt, bin ich unerbittlich in meiner Ablehnung. In meiner persönlichen Wirklichkeit bin ich eine Meisterin der Selbstreflexion und auch – vor allem in Freundschaften- ein sehr solidarischer Mensch. Das ist mein Selbstbild. Und genau das hat grad einen ordentlichen Knacks bekommen.
Ich habe gestern nämlich wirklich Mist gebaut. Ich hab mich ins Leben einer Freundin eingemischt in einer Weise, die absolut nicht okay war. Ich war extrem übergriffig und das auch noch öffentlich. Ich habs zwar gut gemeint, es war ein solidarischer Akt, aber nichtsdestotrotz war es ein Übergriff, der mir nicht zustand. Ich habe aus einer Emotion heraus gehandelt, aus persönlicher Betroffenheit und mein Tun absolut nicht reflektiert. Gut, ich hab meinen Übergriff sofort korrigiert, als meine Freundin mich darauf ansprach. Aber die Tat bleibt. Und an der „kiefle“ ich ordentlich. Sie stellt meine Wahrheit über mich selbst grad in Frage und relativiert auch meine Ansprüche an FreundInnen.
Ich muss anerkennen, dass ich alles andere als fehlerlos bin, alles andere als perfekt. Weder bin ich der perfekte Mensch, noch die perfekte Partnerin, noch die perfekte Freundin. Manchmal bin ich einfach nur eine absolut blöde Kuh und baue Mist. Richtig Mist! Dann bin ich egozentrisch, egoistisch, emotional, denke zu wenig nach über Folgen oder darüber, was mein Tun mit anderen macht. Ich verletze, überrumple, werte ab und stoße vor den Kopf.
Vielleicht lachst Du jetzt, wenn Du diese Zeilen liest und denkst Dir: Meine Güte, was ist denn mit der los. Keep cool! Wer ist schon perfekt?
Ja eh! Klar weiss ich, dass ich nicht perfekt bin. Nobody is perfect! Aber man sagt das so dahin und hat ja in der Regel trotzdem nur das beste Bild von sich selbst. Wenn man nicht gerade grundsätzlich voller Selbstzweifel steckt, ist man doch davon überzeugt, alles richtig zu machen. Die beste Mutter zu sein, die beste Partnerin, die beste Kollegin, die beste Freundin. Und wenn man dann vor sich selbst steht und anerkennen muss, dass dem nicht ganz so ist, dann geht das nah, dann tut das weh. Dann schämt man sich, vor anderen, wie vor sich selbst.
Ich habe mich gestern jedenfalls sehr geschämt. Vor mir selbst. Vor meiner Freundin. Und ich tu es noch immer. Wenn ich meiner Freundin in einigen Tagen begegnen werde, werde ich mich schämen. Sehr sogar. Und das, obwohl sie mir lange schon verziehen hat.
Damit komme ich zu meinem zweiten Learning (also neben dem Learning, dass ich nicht perfekt bin):
Meine Freundin hat mir sofort verziehen. Sie wollte nur, dass ich ihre Reaktion verstehe. Das war alles. Sie schrieb „Es war schon in der ersten Sekunde verziehen und es rüttelt nicht an meiner Anbindung als Freundin. Ich kenne dich, ich sehe dich, ich weiß, du hast es gut gemeint“.
Leute habe ich geheult. Da bau ich so viel Mist, da verhalte ich mich so wahnsinnig übergriffig und diese Freundin verzeiht mir. Einfach so! Ohne Diskussion. Tja, und jetzt frage ich mich, ob auch ich bei ähnlichen Erlebnissen so großzügig bin. Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir einige Situationen ein, wo ich konsequent und unerbittlich Menschen ins Aus gestellt habe, nur weil sie meine Prinzipien von Selbstreflexion und Solidarität nicht erfüllten.
Zusammengefasst mein persönliches Lernen:
Ich anerkenne, dass ich kein perfektes Wesen bin und Fehler mache. Ich werde mich bemühen, zukünftig in emotionalen Situationen einen Tick länger zu warten, bevor ich etwas sage oder schreibe oder tue. Sacken lassen und mein Hirn einschalten, mich fragen, was mein Tun beim anderen bewirkt. Und ich werde an meiner Großzügigkeit arbeiten. Auch andere Menschen dürfen Fehler machen und ich werde lernen zu verzeihen.
Sooooooooooo, Ende der öffentlichen Reflexionsschleife!
Und Du, wann hast Du das letzte Mal so richtig Mist gebaut? Schütte dein Herz aus in den Kommentaren :-)
Bis bald!
Sonja
(Alle Blogbilder sind AI-produziert bei picfinder.ai)
ANNANYM meint
Den Artikel hätte ich genauso schreiben können. Ich habe meine Freundin verletzt durch mein unsolidarisches und hinterrücks Verhalten. Ich wollte aber ehrlich sein und habe mein Verhalten zugegeben, damit sie es von mir erfährt und ggf. nicht von anderen. Damit sie weiß, mit wem sie es zu tun hat. Ich hätte auch alles verschweigen können, aber ich hatte einfach ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber. Sie hat das so nicht verdient.
Jedoch ist bei mir im Gegensatz zu Dir im Artikel nicht ‚von der ersten Sekunde‘ verziehen worden und wie es aussieht, wird es das auch nicht mehr. Ich bin die ins Aus gestellte. Und ich kann es auch verstehen. Nur damit zu leben, tut mir sehr weh, mit all dem Schmerz, den ich verursacht habe.
Ich habe um Verzeihung gebeten. Mehr kann ich nicht tun (???)…
Sonja Schiff meint
Ich denke, Du hast richtig gehandelt. Verzeihen kann eben auch nicht jeder. Gib der anderen Person Zeit und dir auch. Manchmal dauert es auch, bis das Gegenüber verzeihen kann……alles Liebe!
ANNANYM meint
Danke für die liebe Antwort. Dennoch fühle ich mich furchtbar. Ich sehe die Betroffene durch ein gemeinsames Hobby in der Gruppe regelmäßig und sie behandelt mich einerseits wie Luft, anderseits spüre ich ihren bösen Blick und absolut vergiftete Atmosphäre. Außerdem leide ich unter Selbstverdammnis. Ich möchte ihr einerseits Zeit geben, es steht ihr ja einfach zu, enttäuscht von mir zu sein, deswegen lasse ich sie auch komplett in Ruhe. Anderseits weiß ich nicht, ob es das nicht schlimmer macht, ob ich mich doch nochmal melden soll… Die ganze Situation ist sehr belastend für mich.
Sonja Schiff meint
Das kann ich verstehen. Schwierig! Viel Glück wünsche ich dir beim Lösen dieses Problems. Folge deinem Bauchgefühl. Liebe Grüße!