Ich freue mich sehr, in meinem Portraitprojekt VielLeben heute eine mir ganz liebe und besondere Freundin vorstellen dürfen. Ich empfinde es als Ehre, dass Sie sich meinen Fragen gestellt hat und den Blick zurück im Leben für dieses Portrait gemacht hat.
CHRISTA SCHRAMMEL
Geboren als Zwillingsmädchen im Jahr 1958 in Horn, Niederösterreich. Lebt heute in Feldkirch, Vorarlberg.
Eine spontane Geschichte aus Ihrer Kindheit……..
An ein, zwei Traditionen erinnere ich mich gut. Kinder- und Familenfotos wurden, so es die Jahreszeit erlaubte, immer auf der Terrasse, an derselben Stelle angefertigt. Da gibt es ganze Serien davon.
Und ohne Ausnahme gingen wir am Sonntag Nachmittag spazieren. Manchmal gemeinsam mit der Nachbarfamilie. Die Väter arbeiteten in derselben Firma und wir Kinder waren etwa gleichaltrig und enge Freunde. Die Spaziergänge führten uns meist in die nähere Umgebung und manchmal kehrten wir sogar in ein Gasthaus ein. Was mit vier Kindern nicht so oft vorkam.
Mein Vater war ein Meister darin Wege zu finden. So lotste er uns auch dieses Mal querfeldein mit dem Versprechen, dass dieser Weg der kürzeste sei und wir so schneller im Gasthaus wären. Die anderen hatten so ihre Zweifel, aber mein Vater konnte sehr überzeugend sein. Es dauerte nicht lange und wir stellten fest, dass uns die Abkürzung unserem Ziel nicht näher brachte. Bei großer Hitze trabten wir mißmutig und durstig dahin. Mit großer “Verspätung” erreichten wir nach langem Herumirren doch noch das Gasthaus. Zukünftige Vorschläge meines Vaters, einen anderen als den geplanten Weg zu gehen, wurden von da an immer abgeschmettert.
Wenn Sie an Ihre Jugendzeit denken, mit welchen 5 Begriffen würden Sie diese skizzieren?
Meine Jugendzeit war geprägt von großer Unsicherheit, Orientierungslosigkeit, unverständlich strengen Regeln, ersten heimlichen Schwärmereien und unglücklichem Verliebtsein, einer herausfordernden Ausbildung zur Krankenschwester und der Gewissheit, dass es meiner Zwillingsschwester und unseren Freundinnen ähnlich ging. In mir und rund um mich Chaos.
Gibt es ein Musikstück, dass Ihnen zu Ihrer Kindheit und Jugendzeit einfällt?
Ein Musikstück meines Lebens gibt es nicht. In unterschiedlichen Lebensphasen, hörte ich unterschiedliche Musik. Als junge Erwachsene war Airto Moreira mit „Fingers“ einer meiner Lieblingsinterpreten. Höre ich auch heute noch ab und zu und schwelge in Erinnerungen. Danach entdeckte ich Konstantin Wecker für mich. Vieles von dem was er sang, drückte aus was ich dachte, fühlte und niemals so hätte ausdrücken können. Seit mehr als 20 Jahren gehört meine musikalische Liebe vorwiegend den italienischen Cantautore, allen voran Pippo Pollina – ein in der Schweiz lebender sizilianischer Liedermacher, dessen Lieder und Konzerte mich immer wieder berühren.
Stellen Sie sich Ihr Leben, als Reise vor. Was wären die wichtigsten Stationen auf Ihrer Reise?
Mit gerade mal 19 Jahren verließ ich mein Heimatdorf und ging nach Salzburg. Das fühlte sich schon sehr gut an, eigenes Geld, eigene Bleibe und die große Freiheit. Unzählige Abende im Podium – einem herrlichen Lokal mit guter Musik, manchmal auch Livemusik und viel cooleren Leuten als ich bisher kannte. Meine zweite Leidenschaft war als Zuschauerin die Elisabethbühne – damals ein Kellertheater, dass alle wichtigen Stücke spielte.
Beruflich lief es richtig gut. Ich hatte immer jene Stellen bekommen, für die ich mich beworben hatte und die Arbeit gefiel mir gut. Ansonsten hatte ich wenig Ahnung davon, wer ich sein möchte oder welche Bedürgnisse ich hatte. Ich erlebte mich immer hin- und hergerissen und wenig entscheidungsfähig.
Aus Gründen, die mir heute bewusst sind, schaffte ich es nicht in Beziehung zu leben. Meine Lieben endeten immer dramatisch. Dramatisch auch deshalb, weil ich es nicht schaffte zu verhüten und meine “ungeplanten” Kinder unterschiedliche Väter hatten, von denen ich mich jeweils wieder trennte. So empfand ich das Mutter sein nicht nur beglückend, sondern durch meine Lebensumstände auch anstrengend. Immer alleinerziehend, allein verantwortlich und wirtschaftlich gebeutelt. Ich konnte viele Jahre nicht verstehen, warum ich ein „normales“ Beziehungsleben nicht schaffte. Es schmerzte sehr und ich war von mir enttäuscht. Denn die Sehnsucht nach einer erfüllenden Partnerbeziehung war riesengroß. Es betrübt mich heute noch, dass ich meinen Kindern wenig Stabilität und Geborgenheit geben konnte.
Beruflich hatte ich ein besseres Händchen. Ohne eine Karriere anzustreben, entwickelte ich mich doch immer weiter. Meine Arbeit wurde anerkannt und ich fand im beruflichen Umfeld Menschen, die meine Fähigkeiten erkannten. Nach meiner Leitungsfunktion, ich war Stationsschwester in einem Krankenhaus, tat sich ein neues spannedes Berufsfeld auf. Ich machte die Lehrerinnenausbildung für Gesundheits- und Pflegeberufe und war bis zuletzt leidenschaftlich und begeistert in diesem Beruf tätig.
Wenn Sie Ihr Leben so betrachten: Was trägt Sie im Leben? Was macht Sie aus?
Endlich ich mich selbst. Das war ein langer, schmerzhafter Weg und jetzt ist Erntezeit. Dass meine erwachsenen Kinder und ich uns lieben können und sein lassen können wie wir sind, ist ganz wunderbar. Und meine wunderbaren, bereichernde Frauenfreundschaften.
Welche Erkenntnisse von heute hätten Sie gerne schon früher gehabt? Was wäre dann vielleicht anders gewesen, anders verlaufen?
Eine Erkenntnis von heute die ich schon gerne früher gehabt hätte ist jene, dass ich nicht alleine die Welt retten muss. Vertrauen in sich, in andere Menschen, ins Leben an sich zu haben, das macht das Leben einfacher.
Wenn Sie mit Ihrer Erfahrung heute Ihrem 20jährigem Ich von damals, etwas vom Leben erzählen könnten, was würden Sie ihm mitteilen?
Sei mutig und traue deinen Empfindungen und Bedürfnissen. Achte gut auf dich und auf Menschen, denen es nicht so gut geht. Halte die Augen und dein Herz offen. Lasse Musik und Bücher in dein Leben und gehe auf Reisen.
Wo auf Ihrer Lebensreise befinden Sie sich gerade und wie geht die Reise weiter ? Welche Pläne haben? Was wollen Sie noch erleben/tun/erledigen?
Meine Lebensreise wird nicht mehr so lange dauern, wie sie schon gedauert hat. Aber ich bin frohen Mutes, dass ich noch schöne Erlebnisse haben werde. Einfach deshalb, weil mein Leben mit zunehmendem Alter entspannter geworden ist. Ich habe mich mit mir und meinem Leben ausgesöhnt. Es ist gut, wie es jetzt ist. Seit mehr als zwei Jahren in Pension habe ich für mich etwas gefunden, was mich mit Freude erfüllt. Ich arbeite seit Anfang des Jahres als Granny Aupair. Das ist genial. Nachzulesen auf meinem Blog Granny auf Reisen.
Mario Binder meint
Liebe Frau Schrammel
Sie sind mir in lieber Erinnerung und ich hoffe es geht Ihnen gut 😊 , schöne Grüße aus dem Ländle ,ich arbeite im LKH Feldkirch im OP,
Mit freundlichen Grüßen Mario