In letzter Zeit denke ich öfters an einen alten Künstler, den ich vor einigen Jahren, im Rahmen eines beruflichen Hausbesuches, kennenlernte.
Bei der ersten Begegnung war er mürrisch und abweisend. Er wollte nicht mit mir reden, sah mich als Feindbild und tat alles, damit ich schnell wieder verschwinde.
Ich aber war begeistert von dem mürrischen Herrn, wie auch von den vielen Kunstwerken, die im und um sein Haus zu finden waren. Als ich dafür Interesse zeigte, trat die Wende ein. Wir freundeten uns an und er lud mich sogar in sein Allerheiligstes ein, seine Werkstatt.
Der alte Künstler hatte sein Leben als Tischler verbracht und produzierte beruflich Kästen, Tische und Holzfenster. Sobald er aber zu Hause in seiner eigenen Werkstatt war, arbeitete er an bunten, indianisch anmutenden Skulpturen, Vogelhäusern, geschnitzten Schindeln und Tischaltären. Sein Garten war voll damit und auch im Haus reihten sich Skulpturen an Skulpturen. Obwohl weit über 80 Jahre alt stand er Tag für Tag in seiner Werkstatt und bastelte an seinen Werken. Nur gezeigt hatte er sie öffentlich nicht, flüsterte mir seine Frau auf Nachfrage zu.
Also wollten mein Mann und ich ihn zu einer gemeinsamen Ausstellung einladen. Doch dazu kam es nicht mehr. Ein paar Tage vor der Ausstellung starb der alte Künstler. Er hatte einen Herzinfarkt. In seiner Werkstatt.
Kürzlich bin ich an seinem ehemaligen Haus vorbeigefahren und erinnerte mich. An den alten Herrn und auch daran, dass ich ihm damals die Ehre erweisen wollte, aber leider zu spät kam. Also erweise ich ihm heute und hier die Ehre.
Dem alten Grantler mit den verschmitzten Augen. Dem alten Künstler mit seinem Tafeln und Skulpturen. Ich hoffe es geht ihm gut auf der anderen Seite des Lebens und er hat auch dort drüben die Möglichkeit zu schnitzen und zu werken.
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