„Und, hattest eine Krise?“ Das war die mir am häufigsten gestellte Frage der letzten 3 Tage.
Manchmal trug die FragenstellerIn dabei einen ängstlichen Gesichtsausdruck, der gleichzeitig fast um ein „Nein, keine Krise“ flehte. Bei anderen war die Frage begleitet von einem spöttischen Gesichtsausdruck. Und manche sahen mich sorgenvoll an, als würden sie meine Krise erwarten. Ja, als müsste ich eine Krise haben, als gehörte sich das einfach für den 50. Geburtstag.
Hatte ich eine Krise?
Ich würde es nicht als Krise bezeichnen. Krise klingt nach Weltuntergangsstimmung, nach Drama und Verzweiflung, nach Schmerz und Angst. Nein, eine Krise hatte ich nicht.
ABER spurlos ging dieser Geburtstag nicht an mir vorüber. Der hat schon Gewicht! Ein halbes Jahrhundert lebe ich nun schon! Und die Hälfte ist mindestens vorbei. Das macht schon nachdenklich. Das wischt man nicht einfach vom Tisch.
In mir tauchten Bilder auf von den Händen meiner Oma. Wie sehr hab ich als Kind diese Hände mit den ausgeprägten Venen, die man so toll hin und her schieben konnte, geliebt. Es waren für mich die Hände einer alten Frau. Meine Oma war damals ungefähr so alt wie ich heute.
Ich erinnerte mich dieser Tage an eine Situation als ich 19 war. Ich ging in die Krankenpflegeschule und eine Kollegin wurde 25. Was war die Frau alt für mich. Damals dachte ich: „Wahnsinn, die hat schon ein Viertel Jahrhundert am Buckel!“ Und irgendwie sah ich auch sofort viele Falten in ihrem Gesicht.
Solche Sachen gingen mir durch den Kopf. Brachten mich zum Lächeln. Und immer wieder landete ich bei mir und meinem halben Jahrhundert.
Doch, doch, der 50er macht schon nachdenklich.
Mir wurde wieder bewusst, dass die Zeit immer knapper wird und mein Aufenthalt hier auf diesem Planeten begrenzt ist. Dass es irgendwann ein Ende gibt. Wobei ich mir gar nicht vorstellen kann, wie eine Welt sich weiter drehen kann, der ich nicht mehr angehöre. Ich werde irgendwann einfach nicht mehr da sein. Seltsam unwirklich, diese Vorstellung. Genauso wenig in den Kopf zu bekommen wie die Vorstellung, der Weltraum wäre unendlich.
Das klingt vielleicht für manche nach Krise. Aber ich hab es nicht so erlebt.
Im Gegenteil, ich finde es gut, dass mich dieser runde Geburtstag etwas runter gebremst hat von meinen alltäglichen Wichtigkeiten.
Und dann gab es diese wichtige Aussage eines mir nahen Menschen: „Sei dankbar, dass du es bis hierher geschafft hast“. Ich musste zuerst schlucken. Dann tauchten Bilder auf von jenen Menschen in meinem Leben, die sich bereits verabschiedet haben.
Ja, ich bin dankbar dafür es bis hierher geschafft zu haben. Das auch noch bei Gesundheit und ohne existentiell bedrohlicher Lebenskrisen. Ich bin sehr, sehr dankbar.
Und ich freu mich auf die Zeit, die vor mir liegt. Denn neben der Frage nach der Krise, war es der Satz: „Es wird immer besser!“, der meine letzten drei Tage begleitet hat. Eine Aussage, die von Frauen kam zwischen 52 und 75.
Es wird immer besser!
Karin meint
Hallo Sonja, seit deinem „VielFalten“-outcome und dem Lesen der Kommentare, führte ich ein gedankliches Zwiegespräch und fragte mich „soll ich oder soll ich nicht“ einen Kommentar abgeben, denn was mich zögern ließ, war diese Mentalität „es ist so schön, so alt zu sein und Altwerden ist eh kein Problem, es käme hpts. auf die eigene Haltung/Einstellung an“. Ich möchte das nicht mindern, denn tatsächlich dachte ich auch einmal so, bis es dann ganz anders kam, als gedacht und vorgestellt.
Jetzt, wo du über „Krise“ schreibst, bin ich froh und erleichtert, dass nicht nur „gejubelt“ wird.
Ich persönlich habe mich sehr gefreut 50 zu werden (49 war schwieriger), mit 48 habe ich manchmal bei der Frage nach dem Alter „50“ gesagt (im Privaten) und das hat sich gut angefühlt. Jetzt bin ich 53 und bin selbst sehr überrascht, dass ich mit altersbedingten Veränderungen nicht so gut zurecht komme, wie gedacht und vorgestellt und das, obwohl ich immer eine hohe Affinität zum Altern und zu alten Menschen hatte und habe. Ich verspüre ein großes Bedauern, dass ich nicht mehr so leistungsfähig bin, wie noch vor 5(!) Jahren, dass ich die vielen „Abenteuer im Kopf“ nicht in der Art und Weise in die Realität umsetzen kann, wie ich es von mir gewohnt war und das mit erst 53(!). Meine Freundinnen und Freunde, die ungefähr im selben Alter sind wie ich, haben „ihre Schäfchen bereits ins Trockene gebracht“, ich aber noch nicht. „In Pension zu gehen“ ist breits ein Alltagsthema, bei mir aber noch nicht. Innenwelt und Außenwelt klaffen dzt. etwas auseinander. Ich bin überzeugt, dass die Welten wieder eins werden, aber jetzt ist der Spalt unangenehm, beunruhigend und stundenweise wie ein tiefer Abgrund. Was mich mehr als alles andere verwundert: ich meinte, ich hätte mit dem persönlichen Alterungsprozess keine Probleme, ich wähnte mich gut vorbereitet und reflektiert und jetzt DAS.
Zum Schluss ein Zitat: Altwerden ist nichts für Feiglinge!
Sonja Schiff meint
Liebe Karin, herzlichen Dank für Deinen ehrlichen Kommentar. Die Jubelstimmung hab ich natürlich wahrgenommen, darum war mir mein heutiger Beitrag auch wichtig. Es ist großartig, wenn es Älterwerdenden gut geht und sie bis ins hohe Alter „Bäume ausreißen“ können. Aber es gibt auch Menschen, die das Älterwerden anders erleben. Die chronische Schmerzen haben etwa, Zukunftssorgen oder einsam sind. ich werde nach und nach viele dieser Themen aufgreifen. Die helle Seite des Älterwerdens wie auch die etwas dunklere und auch die schwarze Seite. Darum auch der Name VielFalten :-) Freu mich, wenn Du dich beteiligst an der Diskussion. Liebe Grüße Sonja
Karin Immler meint
Spannend, eure Gedanken zu lesen und – oh ja über weite Strecken – zu teilen! Vieles davon ist mir mehr als vertraut – ihr macht mich nachdenklich. Auf eine gute Weise! Danke euch
Sonja Schiff meint
:-)