Kürzlich habe ich, im Rahmen eines Vortrages zum Thema Wechseljahre, die anwesenden Frauen, alle zwischen 45 und 70, gefragt, ob sie gerne wieder jünger wären. Die Antwort kam prompt: Auf keinen Fall!
Zwar meinte die eine oder andere, sie würde jetzt gerne zeitlich stehenbleiben, also etwa auf ewig 55 oder 70 bleiben. Aber wieder jung sein, das wollte keine.
Danach haben wir längere Zeit darüber geredet, was am Älterwerden positiv erlebt wird und was eher ein mulmiges Gefühl hinterlässt. Ich nahm dieses Gespräch wieder einmal zum Anlass darüber nachzudenken, was ich am Älterwerden schätze und was mir eher nicht so gefällt. Hier meine Gedanken dazu:
Meine Pluspunkte des Älterwerdens:
Ich mag mich heute viel mehr als früher! Trotz Falten, mehr Gewicht und immer größer werdender Nase. Und im Nachhinein ärgere ich mich darüber, dass ich in jungen Jahren so viel an mir rummäkelte, so viel Energie in Gewichtskontrolle und Selbstkritik gesteckt habe. Warum, verdammt noch einmal, hat mir damals niemand gesagt, wie hübsch ich aussah?!! Das bessere Selbstbewusstsein ist für mich ein klarer Pluspunkt beim Älterwerden.
Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können, ist eine weitere Qualität des Älterseins, eine Qualität, die ich erst seit einigen Jahren kenne. Diese Unterscheidung zeigt sich in vielen Bereichen. Was habe ich mich früher schnell aufgeregt über Dinge? Ich war eine emotionale Zeitbombe! Von Null auf Hundert -früher meinte ich dazu, ich wäre engagiert und leidenschaftlich. Heute würde ich eher sagen, ich war ein wenig arg besserwisserisch und missionarisch. Aber das ist wohl das Vorrecht der Jugend. Jetzt kann ich Andere besser lassen wie sie sind und frag mich bei Unstimmigkeiten, ob die Aufregung wirklich notwendig ist.
Und was habe ich mich abgerackert für ……na wofür eigentlich? Für Anerkennung? Für Geld? Für einen Karriereschritt? Gefangen in der Perfektionismusfalle. Gefangen in vermeintlich Wichtigem. Heute will ich einfach gut leben können. Wobei „gut leben“ für mich nicht mehr bedeutet, mir noch einen „Fetzen“ kaufen zu können, noch ein Paar Schuhe, noch ein Stück Möbel. Mein wahrer Luxus heute ist Zeit zu haben. Zeit mit meinem Partner ist mir wichtig, Zeit für mich, Zeit zum Nichtstun, zum Seele baumeln lassen, Zeit um Dinge ausprobieren zu können, zu experimentieren. Zeit für meine Hunde, für meinen Garten, für Freunde und ab und an für Engagement, wenn mir etwas ein Anliegen ist.
Mein inneres Wissen, dass ich dieses Leben schaffen werde, egal was da kommen wird. Auch das hat ist für mich etwas mit dem Älterwerden zu tun. Es steht mit dem ersten Punkt, dem Selbstvertrauen, in Verbindung. Aber nicht nur. Als junge Frau hatte ich viele Zukunftsängste, zweifelte an mir und meinen Fähigkeiten. Die ersten Krisen waren die Hölle. Sie zogen mir den Boden unter den Füssen weg. Vor allem die Scheidung. Damals dachte ich, ich würde den Schmerz nicht überleben. Aber ich habe überlebt, Und ich habe gelernt, dass schwere Zeiten mich weiterbringen. Heute weiß ich, dass alles gut wird, was immer ich noch erleben werde. Ich werde dieses Leben schaffen, werde umgehen lernen, aushalten, mich anpassen, weiterentwickeln. Meine Zweifel am Leben haben sich zu einer großen Zuversicht gewandelt. Dafür bin ich sehr dankbar.
Großartig finde ich an meinem Älterwerden, dass ich meinen „Rucksack“ kenne. Jede/r trägt diesen Rucksack mit sich, drin befinden sich alle Erlebnisse, die dich geprägt haben, die mit dazu beitragen, dass du bist wie du bist und tickst wie du tickst. Dieser Rucksack ist einem oft im Weg im Leben. Je älter ich werde, umso bewusster sind mir die Inhalte meines Rucksacks, umso weniger steuert mich deshalb mein „Rucksack“ und umso mehr lebe ich MICH. Ich bin friedlicher geworden dadurch, verzeihender, emotional stabiler und demütiger.
Außerdem? Weitere Pluspunkte? Klingt vielleicht lächerlich und banal, aber alles zu haben, was ich so fürs Leben brauche, verbinde ich auch mit dem Älterwerden. In jungen Jahren ist man so damit beschäftigt es „sich einzurichten“, da geht viel Zeit und Energie und Geld rein. Wohnung, Möbel, E-Geräte, Hausstand, Kleidung, Krimskrams, das alles ist heute da. Das erlebe ich als Segen. In Folge muss ich weniger arbeiten und hab mehr Zeit!
So weit Mal zu den Pluspunkten des Älterwerdens. Jetzt die andere Seite….
Meine Minuspunkte des Älterwerdens:
Ganz klar die körperlichen Veränderungen. War ich in mir früher verletzlich, körperlich aber kraftvoll und heil, so dreht sich das irgendwie langsam um. Jetzt bin ich in mir weitgehend heil und stabil, aber körperlich werde ich verletzlicher. Wenn ich, so wie heute, ein paar Stunden meinen Garten umgrabe, tut mir tagelang die Schulter weh und der Rücken. Ich gehöre auch noch nicht zu jenen Frauen, die ihre zunehmenden Falten bejubeln. Die Lachfalten ja, aber auf manche anderen Falten könnte ich gerne verzichten. So wie auf den Schwimmreifen, der größer und größer wird, während mein Grundumsatz kleiner und kleiner wird. Wenn ich nach 17 Uhr eine Karotte esse, wiege ich am nächsten Tag 2 Kilo mehr! Nööö, körperlich finde ich das Älterwerden nicht spaßig.
Schwierig finde ich auch, wie sich mittlerweile in meinen Altersumfeld die Reihen lichten. Immer öfter sterben Menschen, die ich kannte. Es sind etwa frühere „Idole“ oder „LebensbegleiterInnen“, deren Tod mich kurz mein eigenes Leben unterbrechen lässt. Da denk ich mir dann: In der nächsten oder übernächsten Runde bist du dann dran.“ Der Tod von Frank Schirrmacher, Lou Reed, Paco de Lucía und Dieter Hildebrandt haben mich etwa betroffen gemacht. Der Tod eines Jugendfreundes hat mich regelrecht erschüttert. Das einzige Tröstliche, sind meist alles Männer. Frauen sterben später. Die bleiben aber zurück und oft alleine. Hab ich in meinem Job viele gesehen, alte Frauen, die 15/20 Jahre alleine lebte. Eine Perspektive, die mir am Älterwerden auch nicht gefällt.
Was noch? Hmmmmmmmm……das wars eigentlich.
Stelle ich mein Plus- und Minus gegenüber schauts doch gar nicht so schlecht aus! Eindeutig mehr Positives.
Sollte ich vielleicht öfters mal machen. Wird ja auch in Bewegungs bleiben meine Liste.
Und, wie schaut Ihre/ Deine Plus- und Minus-Liste des Älterwerdens aus?
suzie meint
na ich wäre dann die einzige frau gewesen, die vielleicht jünger sein möchte. denn das hieß eben: gesünder. und weiter weg von dem „ende“. was man aber ja nicht weiß.
falten und dgl. sind mir egal, zum leben habe ich genauso viel wie früher, also nicht alles und doch vieles.