Paris, Beirut, Bagdad. Irak, Syrien, aber auch Nigeria. Islamischer Staat oder auch Daesh genannt.
Traurigkeit und Betroffenheit über die vielen unschuldigen Opfer bestimmen im Moment die gesellschaftliche Diskussion. Die Frage, wie diesen Barbaren Einhalt geboten werden kann, stellt sich. Wie auch die Frage, ob Europa mit seiner offenen Haltung bezüglich der Flüchtlingswelle den Terror selbst Raum gegeben hat. Rechte Recken nützen die Gunst der Stunde und schüren gleich wieder kräftig Angst. Muslime grenzen sich verzweifelt ab von Terroristen, die sich auf ihre Religion, den Islam, berufen.
Was mich im Moment beschäftigt und erschüttert ist das jugendliche Alter der Attentäter und IS-Kämpfer. Von 7000 europäischen Dschihadisten war gestern in einem österreichischen Politik-Talk die Rede, die meisten davon Konvertiten, also ursprünglich einer anderen Religion zugehörend, christlich sozialisiert. Manchen Medien war zu entnehmen, dass einige der Paris-Attentäter zwischen 15 und 18 Jahre alt waren. Das haut einen doch um! Oder nicht?
Vor ein paar Tagen wurde, nach jahrelanger Jagd, „Dschihadi-John“ von einer US-Drohne getötet. Ein 27 jähriger Engländer, der als das grausamste Gesicht des IS durch die Medien ging, als Henker des Islamischen Staates. Er war es, der Menschen vor laufender Kamera mit einem Messer den Kopf abschnitt, bei lebendigem Leib. Der sich ergötzte an der Verzweiflung, an den Hilfeschreien, an den unsagbaren Schmerzen, dem Todesröcheln. Einfach umfassbar.
Jetzt nach seinem Tod kursieren Videos im Netz, die einen schlaksigen Jungen mit sanftmütigem Gesicht und scheuem Lächeln im Alter eines Teenager zeigt. 11 Jahre sind diese Videos alt. 11 Jahre! Da stellt sich doch die Frage: Was ist da passiert in den letzten 11 Jahren? Wie wurde aus dem Jungen mit dem scheuen Gesichtsausdruck dieses todbringende, gefühlslose Monster? Wie??
Was ist da passiert im Leben jener Kinder, dass sie heute schlachten, morden und sich selbst opfern als Selbstmordattentäter? Was? Was hat das gefehlt in diesen Leben? Wonach haben diese Kinder sich gesehnt, damals als sie noch keine Monster waren? War da Liebe in ihrem Leben? War da Anerkennung? War das Respekt? War da eine Perspektive für das Leben?
Sie töten Menschen für Allah? Sie töten sich, um ins Paradies zu kommen?? Mit 17, 20 oder 25 Jahren? Für Allah? Für den Einzug ins Paradies? Nie und nimmer! Mit 17 willst Du doch nichts wie lebendig sein, willst du etwas erleben, willst du wertvoll sein, wichtig, wahrgenommen werden. Willst Du Rockstar werden oder wenigstens Deutschlands Superstar für einen Monat.
Was finden diese vielen jungen Menschen bei der abartigen und mordenden Truppe der IS, was sie hier bei uns nicht bekommen haben. Sind die IS-Dschihadisten die neuen Vorbilder, die neuen Rockstars. Ist der europäische Dschihadismus so etwas wie der neue Jugendkult. Hippie, Popper, Rocker, Punk und Gothik waren gestern, heute wirst du Dschihadist in der Rebellion? Heute sind es nicht mehr Haschisch und Koks, die Hochgefühle auslösen, heute ist es das Morden, sind es die Schreie sterbender Menschen? Ich fasse es einfach nicht.
Ich frag mich immer und immer wieder was diese Kinder erlebt haben in ihrem kurzen Leben. Womit sind sie aufgewachsen? Gab es da Familie? Gab es da Werte? Gab es da Bildung? Herzensbildung? Gab es da Liebe? Ich habe das Bild vor Augen, dass diese Kinder stundenlang sich alleine überlassen vor irgendwelchen Computerspielen saßen und schon Jahre vor IS Krieg spielten. Ungesehen. Ich frage mich, war der Krieg quasi bereits schon lange Teil ihres Lebens. Ist der Tod, den sie bringen, das Adrenalin in ihren gefühlslosen Adern?
Und doch weiß ich, so einfach ist es nicht. Unter den IS-Strategen befinden sich Akademiker, Ingenieure. Dschihadi-John war so einer. Gebildet. Mit Universitätsabschluss. Ein junger Mann mit Zukunft.
Umso mehr die Fragen: Wie konnte das passieren? Was läuft hier falsch, liebe Europäer, dass unsere Kinder in einen Krieg ziehen. Gegen die Welt. Gegen uns.
Wir brauchen Antworten auf diese Fragen. DRINGEND.
rochus gratzfeld meint
Die Antworten liefern uns die Extremistinnen. Denn sie machen vieles besser, als wir. Sie machen zum Beispiel eine herausragende Jugendarbeit. Auf den Straßen. Bei denen, die die Hoffnung verloren haben. Bei denen, die keiner haben will, die aber dazugehören möchten. Sie holen die jungen Menschen mit Visionen ab. Mit Visionen von einer besseren Welt. Und sei es nach dem Tod.
Wir könnten denen als EU, als Österreich, als Deutschland leicht entgegenhalten.
Mit den selben Methoden. Aber ohne Waffen.
Mit Visionen zum Leben. Nicht zum Sterben.
Dazu wäre nur ein Bruchteil des Geldes nötig, welches in Militärausgaben gesteckt wird.
Warum dies nicht passiert? Weil dadurch zumindest kurzfristig niemand reich wird.
Die Politik? Sie hat schon lange Visionen verloren.
Es bedarf also eines gesellschaftlichen Paradigmawechsels.
Ob der in Zeiten weiter geschürter Ängste?
Ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Loci meint
Die Hoffnung nicht aufgeben.
Und selber tätig werden oder bestenfalls schon sein.
Darauf kommts an.