Es gibt Tage, da holt Dich die Vergangenheit ein und es gibt Orte, an denen scheint die Zeit still zu stehen. Orte, die sich nie verändern. Orte, die einfach sind, wie sie sind. Vorgestern. Gestern. Heute. Morgen. Und sicher auch übermorgen und überüberübermorgen.
In meinen frühen 20ern musste ich eine Grenze überwinden, um an diesen Ort zu gelangen, von dem ich heute erzähle. Damals, als noch kontrolliert wurde zwischen Salzburg und Freilassing, wir rüberfuhren, um unter unseren Pullis Zigaretten zu schmuggeln, vorher aber unbedingt noch auf einen längeren Sprung vorbeischauen mussten im dunkelsten und wildesten Lokal Freilassings. Dem Schmuggler.
Das Schmuggler: Wohnzimmer meiner Jugend
Damals, als das Schmuggler noch gegenüber des Bahnhofs Freilassing angesiedelt war und man uns gewarnt hatte davor. Verruchtes Rockerlokal, Drogenhölle. Angeblich. Es zog uns trotzdem (oder gerade deswegen?) magisch an und wurde heimeliges, verlängertes Wohnzimmer.
Irgendwann öffnete sich die Grenze (danke Europa!), die langen Wartezeiten und das Zittern beim Schmuggeln fiel weg. Und dann war das Schmuggler plötzlich an einem anderen Ort in Freilassing, nah am Ortskern, in der Laufenerstraße 7. Geändert hatte sich trotzdem irgendwie nichts. Dieselben Holztische, dieselben Holzstühle, der Billardtisch, der Flipperautomat, die Weinflasche mit den Tropfkerzen, das Bild von Salvadore Dali an der Wand, das Frühstück bis 12 Uhr, die Enchilades, das Kebab aus der Pfanne – alles war wie immer. Nur größer war es, ein wenig heller und ein toller Gastgarten kam dazu.
Das Schmuggler (oder heißt es DER Schmuggler?) war viele Jahre eines meiner absoluten Lieblingslokale. Sonntags spät frühstücken gehen ins Schmuggler, abends nach der Arbeit noch schnell rüber auf ein lauwarmes Kebab (nein, dieses Kebab hat absolut nichts zu tun mit der türkischen Ausgabe) oder auf ein saftiges Truthahnsandwich, Freunde treffen, quatschen, rauchen, diskutieren, rauchen, politisieren und rauchen, rauchen, rauchen.
Das Schmuggler im Jahr 2020 – unverändert.
Kürzlich war ich beruflich min Begleit5ungt einer Freundin in Innsbruck. Auf der Heimfahrt beschlossen wir, in Salzburg angekommen, noch etwas essen zu gehen und die Kollegin meinte: „Gehen wir doch ins Schmuggler!“
Ins Schmuggler! Meine Güte, da war ich ja mindestens 20 Jahre nicht mehr! Also ab ins Schmuggler. Und was soll ich sagen? Alles war wie immer. Ich hatte schon Sorge, dass es mein geliebtes Kebab aus der Pfanne nicht mehr gibt, oder zumindest nicht mehr so, wie ich es kannte. Aber alles war wie immer. Die alten Holztische, die Holzstühle, die Weinflasche, der Salvadore Dali, der Billardtisch, die Enchilades, das Frühstück bis 12 Uhr. Alles war da! Wie vor 20 Jahren. Ach was sage ich, wie vor 40 Jahren!
Okay, geraucht werden darf mittlerweile nicht mehr. Aber hey, ich bin eh erwachsen geworden und hab das Laster Rauchen hinter mir gelassen. Neuerdings gibt’s auch im Schmuggler diese jetzt ach so hippem Flammkuchen. Ja mei, muss ich ja nicht essen. Solange es die besten Pizzen weit und breit immer noch gibt und den Toast Hawaii, habe ich alles, was ich brauche für einen so richtig gemütlichen Abend.
Das Schmuggler 2020 – Punk sitzt neben PensionstIn
Eine große Veränderung konnte ich im Schmuggler trotzdem feststellen und sie hat mich als Alternswissenschaftlerin begeistert. Das Schmuggler ist mit einer wunderbaren Selbstverständlichkeit zu einem intergenerationellen Ort geworden. Ich habe bei meinem Besuch 20 Jährige Tisch an Tisch sitzen sehen mit 75 Jährigen, jugendliche farbenfrohe Punks neben einer Rentnerrunde in schwarzen Lederjacken, ältere Frauen mit grauem Haar neben Mädels um die 20 in löchrigen Jeans.
Das Schmuggler hat es echt geschafft, sein Stammpublikum von damals zu halten und trotzdem junge Menschen anzuziehen. Es war einfach wunderbar!
Auf meine Frage „Schmeckt das Kebab noch wie vor 20 Jahren?“, meinte der sehr junge Kellner: „Weiss ich nicht, da war ich noch nicht geboren. Aber es wird sehr gerne gegessen.“ Sagte es, grinste mich an und entzündete die Tropfkerze auf der Weinflasche.
Es war ein famoser Abend. Und ja, die lauwarmen Kebab aus der Pfanne schmecken immer noch wie damals. So richtig genial!
Dieser Artikel ist keine Werbung. Ich wurde weder für den Artikel bezahlt, noch habe ich bei meinem Besuch Essen oder Trinken kostenfrei erhalten. Der Artikel ist meine nostalgische Reminiszenz an ein wunderbares Lokal meiner Jugend, welches ich gerade neu für mich wiederentdeckt habe.
Alle Fotos: Mit freundlicher Genehmigung des Schmugglers. In meiner Freude und meinem Staunen hatte ich ganz vergessen Fotos zu machen. DANKE!
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