Seit 3 Wochen bin ich Tante. Und meine Eltern, 72 und 75 Jahre alt, sind endlich Großeltern. Da mein Bruder und ich beide kinderlos geblieben sind (wobei sich das bei meinem Bruder ja noch ändern kann), mussten meine Eltern ganz schön lange darauf warten Großeltern zu werden. Ich weiß, dass sie ein wenig darunter gelitten hatten, dass da kein Enkerl kam. Hätten sie nie gesagt! Aber, so still und heimlich, war das sicher nicht leicht. Immer wieder die Frage der anderen AlterskollegInnen: „Wie viele Enkelkinder haben Sie denn schon?“ und immer wieder sagen zu müssen: „Keine“.
Aber das ist jetzt Vergangenheit. Die Enkeltochter ist da! Und meine Eltern gehen fleißig spazieren mit dem kleinen Bopperle (mütterliche Kosebezeichnung für das Kindes). Für die nächsten Jahre ist diese neue Aufgabe gesichert. Aufregung wird wieder einziehen ins Haus, viel, sehr viel Freude und die eine oder andere Sorge.
Aber was ist das für eine Beziehung, diese Enkel-Großeltern-Beziehung?
Wann gelingt sie? Wie beurteilen Kinder ihre Großeltern? Und wie schaut die Rolle der Großmutter, des Großvaters heute eigentlich wirklich aus?
Die Rolle der Großeltern, die sich liebevoll um ihre Enkelkinder kümmern, ist Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden und steht sozialhistorisch in Verbindung mit der Entstehung des bürgerlichen Familienmodels. Der Großelternschaft voran ging die Entmachtung der alten Generation, die Abgabe der familialen (und oft auch beruflichen) Führungsrolle. Im Gegenzug dafür, wurde die neue Familienrolle emotional aufgewertet, allerdings war sie auch eine machtlose Rolle. Von Großeltern wird Begleitung erwartet ohne erzieherische Einmischung.
Das Bild der Großmutter/ des Großvaters stellt in unserer Gesellschaft eines der wenigen positiven Altersbilder dar. Großeltern, das sind die, die immer Zeit haben, die ihre Liebe versprühen und die geben ohne etwas zu fordern. Doch stimmt dieses Bild von Großelternschaft immer noch?
Der Gerontologe Francois Höpflinger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Rolle von Großeltern und deren Beziehung zu ihren Enkelkindern. In einer Schweizer Studie (2004) ist er der Frage nachgegangen, wie sich Großelternschaft heute gestaltet. Befragt wurden bei dieser Studie Großmütter und Großväter, aber auch deren Enkelkinder. Hier nur einige interessante Ergebnisse:
- Sowohl von Großeltern, wie auch von Enkelkindern, wurden die Beziehungen als mehrheitlich positiv beschrieben.
- Großeltern sind für Kinder wesentliche familiale Bezugspersonen, die außerhalb von Leistungsdruck bezüglich Schule (Kinder) und Beruf (Eltern) stehen. Sie bringen deshalb Zeit und Gelassenheit mit, was zu einer meist langjährigen, unbelasteten soziale Beziehung führt.
- Voraussetzung einer gelungenen Enkel-Großelternbeziehung ist das Einhalten zweier „Regeln“. A) Enkelkinder wollen ernst genommen werden. Aber Großeltern sollten sich in das Alltagsleben der Enkelkinder nicht einmischen. Gilt vor allem bei Jugendlichen! B) Intime Themen des Heranwachsens müssen als Gesprächsthema ausgeblendet werden. Es ist ein absolutes Tabu für Großeltern über Intimität und Sexualität mit ihren Enkelkindern zu reden. Höpflinger nennt dies die „engagierte Nichteinmischung“.
- Nicht nur die Enkelkinder lernen von den Großeltern. Immer mehr lernen Großeltern von ihren Enkelkindern! Höpflinger bezeichnet die Wirkung dieses Lernens von heranwachsenden Enkelkindern (Stichwort: Umgang mit Technik) auf die Großeltern als „sozio-kulturelle Verjüngung“.
Quelle: Höpflinger, F 2006, Enkelkinder und ihre Großeltern. Intergenerationelle Beziehungen im Wandel. Zürich: Seismoverlag
In meinem Leben spielte meine Oma eine große Rolle. Sie hat mir Urvertrauen geschenkt, die Basis für meine positive Sicht auf das Leben. Außerdem hat sie mir sehr viel Nähe gegeben. Ihren Geruch beim morgendlichen Kuscheln hab ich immer noch in meiner Nase. So wie jenen ekelhaften Geruch auf der Haut, wenn sie ins Taschentuch spukte und mir damit das Gesicht abwischte.
Das vielleicht als kleinen Ratschlag an meine Eltern, die frisch gebackenen Großeltern: Keine Zwickerbussis! Und niemals mit Spuke das Gesicht abwischen!
Marianne meint
Jaja, Sonja, unser Oma, dass war eine Frau!! Sie hatte zwar manche komische Mucken, aber ich denke sie hat uns viel auf den Lebenweg mitgegeben. Ich kann mich noch erinnern wenn sie mir am Abend von ihrer Jugendzeit erzählte, in der VoÎïvodine,
Oder auf dem Weg in die Kirche, wo sie uns alle Geschichten aus der 1001 Nacht erzählte, damit uns die Zeit nicht zu lange vorkam. Und alle ihre Kuchen ;-)
Sonja Schiff meint
:-) ich mochte ihre kekse. und die brotsuppe.
Veronika Konrad meint
und ich hab ihr immer aus dem Buch mit biblischen Sprüchen vorgelesen. Sie sagte damals, ich wäre eine gute Priesterin;-))
rochus gratzfeld meint
Ja, ich wurde gerade Großvater. Und beginne mich just wieder mit meiner eigenen Jugend in Erinnerungen – mit meinen Stilmitteln – auseinanderzusetzen. Wie war Jugend? Welche Bilder kommen da im Kopf hoch? Wie wurde ich erwachsen? Wie Vater? Und welch ein Vater? Spannende Fragen. Großvater zu sein verändert übrigens mein Leben nicht. Enkel sind die Kinder von Kindern. Großeltern. Historische Figuren in Nebenrollen. Diese können manchmal wichtig sein. Manchmal überflüssig. Oft hinderlich. Also bleibe ich, was ich bin. Da, wenn ich gebraucht werde. Basta.
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