Um ehrlich zu sein, ich finde ich erzähle Euch viel zu selten von meinen Hunden. Ein Leben ohne Hunde kann ich mir nicht vorstellen. Und trotzdem wäre ich vor einigen Jahren an einem Hund fast verzweifelt. Davon will ich Euch heute erzählen.
Sie war, um ehrlich zu sein, zweite Wahl. Eigentlich hatte ich mich in einen schwarz-weissen Staffmix verliebt. Doch meine Umgebung lief Amok als ich die Fotos von diesem „Liebe-auf-den-ersten-Blick-Hund“ herumreichte. Ein „Kampfhund“?? Ich war irritiert ob der hysterischen Reaktionen. Wollte ich wirklich die nächsten 16 Jahren in ängstliche Gesichter blicken? Wollte ich nicht. Also suchte ich nach einer hündischen Alternative. Dabei begegnete ich ihr. Sie hieß Terry (heute Girly), von einer Tierschutzorganisation aufgelesen als hungerndes Bündel in den Straßen Tschechiens, 6 Monate alt. Sie trug diesen zuckersüßen löwenmäßigen Rotschopf und ihre Augen waren irgendwie durchdringend.
Bei unserer ersten Begegnung muss ich blind gewesen sein. Oder besser taub. Ich sah nur den Rotschopf, sah wie sie auf mich zulief, sah ihr Wedeln und schon hatte ich sie im Arm und meine Entscheidung war gefallen. Was ich übersah war das laute, einige Zeit anhaltende und ziemlich übertriebene Bellen zur Begrüßung. Keine Ahnung, wo ich damals meine Ohren hatte.
Mein neuer Zweithund, wir hatten damals schon die einjährige und eher ruhige Hündin Nutella, entpuppte sich bereits am ersten Tag als begnadete und über die Maßen nervende Kläfferin. Sie verbellte Menschen, Kinder, Autos, Fahrräder, Mülltonnen, Werbeständer, Litfaßsäulen, Bänke, Skulpturen und Hydranten. Begegneten wir anderen Hunden rastete sie völlig aus, zog und zerrte wie wahnsinnig an der Leine, schrie sich die Seele aus dem Leib, fletschte und knurrte und war durch Nichts zu beruhigen. Außerdem kapierte sie nicht und nicht, wie man als Hund an einer Leine zu gehen hat. Sie rannte lieber volle Kraft voraus in die Leine, drehte um und rannte wieder volle Kraft voraus in die Leine, drehte um und rannte wieder…….und wieder…und wieder. Ich nahm Trainerstunden um Trainerstunden. Ich ging monatelang täglich mehrmals mit zwei Hunden getrennt spazieren, um mit dem Kläffer zu üben. Nichts half. Der Rotschopf bleib eine unkontrollierbare Furie.
Nach einem halben Jahr, mir taten bereits chronisch Schultern, Kreuz und Handgelenke weh, war ich kurz davor diesen wahnsinnigen Hund wieder wegzugeben. Ich war am Ende. Jeder Spaziergang war die Hölle. Wie sollte ich das weitere 15/16 Jahre ertragen? Ich hasste diesen Hund. Ich hasste ihn! Doch dann meinte mein Mann eines Tages, als ich heulend am Sofa saß: „Die ist irgendwie wie Du.“
„Was soll das heißen?“, kläffte ich meinen Partner zornig an und fügte hinzu „Soll das heißen ich bin auch so eine Furie?“ Er sah mich liebevoll an und sagte: „Nein. Ich sehe da ja auch vor allem einen sehr engagierten Hund, der in seiner Energie und seinem Dickschädel kaum zu bremsen ist. Eben wie Du.“
Das saß! Mit einem Schlag betrachtete ich meinen „Problemhund“ mit anderen Augen. Vor allem mit liebevolleren Augen! Wo ich vorher einfach nur genervt war, sah ich plötzlich Girlys Bemühen mir zu gefallen, ihren drängenden Wunsch alle Gefahren möglichst vor mir zu erkennen und mich zu warnen. Ihren enormen Jagdtrieb, der meine Schultern malträtiert hatte, weil sie beim Spazieren über Wiesen und Feldern von Null auf Hundert plötzlich Hasen und Katzen nachlief, sah ich plötzlich als Leidenschaft, als ihre große Freude, ihr großes Talent. Mein neuer Blick änderte alles. Nicht schlagartig. Aber stetig.
Heute, vier Jahre später, sind wir zusammengewachsen. Girlys Bellen hält sich mittlerweile in Grenzen. Um Hunde können wir ganz ohne Kläffen und Ausrasten einen großen Bogen gehen und wenn ihr ein wütender Beller entschlüpft, dann reicht ein „nein“ von meiner Seite und sie hört augenblicklich damit auf. Wald und Wiesen werden nur noch mit langen Leinen erobert und es gibt für Girly ausgiebig Zeit, um nach Mäusen zu graben oder Fährten aufzustöbern.
Mittlerweile sind wir ein Herz und eine Seele. Sie hat gelernt, dass ICH sie beschütze und nicht sie mich beschützen muss. Sie ruft mich, wenn sie Hilfe braucht. Unsere große Hündin Nutella lässt manchmal arg die Chefin raushängen und erlaubt ihr beispielsweise nicht zu uns ins Wohnzimmer zu kommen, indem sie sich einfach vor die Wohnzimmertür legt und der Kleinen den Zugang verbaut. Dann sitzt Girly im anderen Zimmer und schreit ganz jämmerlich nach mir, solange bis ich komme und ihr den Weg ins Wohnzimmer sichere. Ich bin jetzt also ihre Heldin. So etwas wie Superwoman für Hunde.
Girly und ich. Das ist eine Geschichte des langsamen Zusammenwachsens. Meine ehemalige „Problemhündin“ ist heute eine riesige Schmusebacke. Ich bin sehr froh, dass ich sie habe. Und sie lohnt mir die viele Mühe, die schwere Zeit vorher, mit unbändiger Lebensfreude und Begeisterung für jeden Spaziergang, jedes Ballspiel und jede noch so kleine Aufmerksamkeit.
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