Kürzlich bin ich auf dem Blog Geboren in den Sechzigern über den Beitrag Das Meer riechen- Leben im Alter gestolpert. Die Autorin fragt am Ende ihres Artikels ihre LeserInnen, ob sie denn schon wissen würden, wie und wo sie in 10/ 15 Jahren leben wollen. Ich wollte über diese Frage eine Weile nachdenken, sie wirken lassen und dann bloggen. Hier meine Gedanken:
Ich bin von Beruf Altenpflegeexpertin. Und ich bin Sonja Schiff, eine Frau kurz nach 50. Warum ich das so betone? Weil in meiner Brust zum Thema eigenes Altwerden zwei Seelen schlummern.
Die erfahrene Altenpflegeexpertin erinnert sich an die viele Klientinnen, die sich nicht gekümmert haben um barrierefreie Wohnungen, die das eigene Älterwerden irgendwie immer aufgeschoben haben, Jahr um Jahr und irgendwann – Peng! Knall!- Schlaganfall, Halbseitenlähmung. Die Familien versanken im Chaos. Die betroffenen Menschen waren hilflos. Das Reihenhaus mit Wendeltreppe war ungeeignet für die Pflege zu Hause. Was nun? Pflegeheim oder im zweiten Stock des Reihenhauses auf ewig versauern? Ich hab wahre Tragödien erlebt wegen fehlender Barrierefreiheit. Ich habe entwürdigendes Altwerden erlebt. Menschen, die in ihren, für die gesunde Lebenszeit erbauten Häusern verharrten, die sich verbarrikadierten hinter Jalousien und Fassaden, die versanken in Zorn und Jammertal. Es war teilweise zum aus der Haut fahren! Es war oft so unendlich traurig und beklemmend!
Sonja, die Frau mit 51, freiheitsliebend, neugierig, lebenslustig, diese Frau hat noch viel vor. Erst einmal die nächsten 10 Jahre noch lustvoll arbeiten, vielleicht die letzten fünf Jahre schon kürzer treten, wenn es sich finanziell ausgeht. Danach auf alle Fälle nicht wartend versauern bis der Tod vor der Türe steht! Vielleicht zusammen mit Mann und Hunden mit dem Wohnmobil durch Europa tingeln? Oder im Landhaus bleiben und einen Krimi nach dem anderen schreiben. Gibt ja einige spät berufene Erfolgsautorinnen! Oder eine Marmeladen- und Chutney-Manufaktur starten, selbstverständlich mit coolem Online-Shop!
Ich pendle bei meinen Zukunftsgedanken immer wieder zwischen den Erfahrungen der Altenpflegeexpertin und mir als privater Mensch hin und her. „Was werden wir tun wenn….“ so beginnen meine Horrorszenarien, die ich bis ins letzte Detail ausformulieren kann. Solange bis mein Mann die Stopptaste drückt, mich in den Arm nimmt und meint: „Wenn es so weit ist, werden wir das schaffen.“ Dann lehne ich mich zurück, atme tief durch und denke mir: „Er hat recht. Wir werden das meistern“. Hoffentlich.
All die Jahre meiner Berufstätigkeit, aber auch bei meinen Schwiegereltern und auch jetzt bei meinen Eltern sah/ sehe ich, wie Menschen das Altwerden vor sich herschieben, wie sie den Gedanken nicht wagen, dass irgendwann der Zeitpunkt der Veränderung kommt. Dabei wäre es so einfach! Barrierefreie Wohnung! Und schon kann man trotz Pflegebedürftigkeit zu Hause leben.
Ich will nicht so handeln wie meine Schwiegereltern oder Eltern. Die hatten/ haben Kinder und irgendwie verlassen sie sich darauf, dass diese Kinder sich dann kümmern werden, dass die Kinder für sie dann im Fall des Falles managen, was sie vorher nicht auf die Reihe bekamen. Ehrlich gesagt, finde ich das eine Zumutung. Außerdem: Ich habe keine Kinder. Und hätte ich welche, würde ich ihnen das nie antun. Nein, anders gesagt, ich würde es MIR nicht antun. Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als das eigene Leben aus der Hand zu geben. Daher ist für mich die Vorbereitung auf eine Zeit, in der ich eventuell beeinträchtigt bin, wichtig.
Unser Landhaus in Ungarn, das ich über alles liebe, ist beinah barrierefrei. Mit ein Grund, warum wir es gekauft haben. Nach meinem Pensionsantritt (also in etwa 10 Jahren) werde ich meine geliebte Wohnung in Salzburg, im dritten Stock ohne Lift, verkaufen und mir eine barrierefreie kleine Wohnung zulegen in Wien. Sicher ist sicher.
Und von dem Geld das übrig bleibt, kaufen wir uns das Wohnmobil mit dem wir Europa erobern werden! Ich werde Krimis schreiben oder ein Buch über Marmeladen- und Chutney-Rezepte. Ich werde durchs Leben toben, die Freiheit genießen, neue Dinge ausprobieren und neue Seiten an mir entdecken.
Weiß ich, wie ich in 10/15 Jahren leben werde? Nein, nicht wirklich. Wie heißt es so schön? „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.“ Aber eines ist sicher: Da ist eine barrierefreier Lebensraum. Für den Fall der Fälle.
Cecilia meint
Liebe Sonja! Als demnächst 72:e Singel habe ich schon alles geplant. Habe mich in eine Seniorenanlage (der Kirche und hoffentlich nicht von gierigen Aktionären regiert..) „eingekauft“ und freue mich mit Mitte-Ende 70 dort einzuziehen und den Tag zu geniessen. Ich möchte meinen Kindern diese Entscheidungen nicht zumuten und möchte selbst entscheiden wo ich hinmöchte Kann ja alles anders kommen – Schlaganfall oder anderes Elend.. Dann müssen sie wohl doch ´ran aber hoffen wir auf weitere gute Jahre und Einzug mit gehobenen Hauptes!
Sonja Schiff meint
ich verstehe dich gut! seniorenanlage wäre jetzt nicht so meines. ich plane mal eine senioren-wg zu gründen….
tonari meint
Unsere Wohnung ist nahezu barrierefrei. Das Badezimmer müsste noch mal altersgerecht aufgehübscht werden, dann passt das auch. Die dritte Etage erreichen wir per Lift. Schwierig wird es mit den ersten 8 Stufen bis zum Fahrstuhl. Da findet die Eigentümergemeinschaft momentan keine Lösung, die alle akzeptieren. Ich hoffe, der Leidensdruck steigt, damit wir auch hier eine Variante finden, die allen dient. den Ästheten, den praktisch Veranlagten, den gebrechlicher Werdenden.
Ich möchte meinen Kindern im Alter auch nicht zumuten, sich permanent um mich zu kümmern. Es wäre dennoch schön, wenn sie da wären, um vielleicht dieses und jenes zu regeln, was man selbst organisatorisch nicht mehr auf die Reihe bekommt. Das habe ich für meine Omi auch gemacht. Sie meinte dann immer ganz stolz, ich sei ihr Manager ;-)
Simone meint
Sonja, du hast natürlich recht. Vorsorgen ist gut. Nur leider habe ich in den letzten Jahren immer wieder erleben müssen, dass alles ganz anders gekommen ist als geplant. Ganz anders. Auch im Moment befinde ich mich in einer solchen Situation, in der noch nicht klar ist, wie alles weitergeht. Aus diesem Grund mache ich keine Pläne für die nähere Zukunft – und das schließt die Wohnsituation ein. Meine Kinder, das habe ich mir ebenfalls vorgenommen, will ich auf keinen Fall belasten. Ich denke daher eher in Richtung Alten-WG mit lieben Freunden. Aber auch das ist noch nicht spruchreif. Wie gesagt: Die Situation ist nicht danach. Und wer weiß? Vielleicht packe ich tatsächlich noch mal meinen Rucksack …
Monika Krampl meint
„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!“
Vor zwei Jahren mit 64 habe ich meine Praxis zugesperrt! So, jetzt Rucksack packen und auf in die Toscana oder nach Indien …
Na ja, vorher noch ein kleines, barrierefreies „Ausgedingehäuschen“ im Garten meines Sohnes als Altersvorsorge bauen.
Dann kam der Ruf der Politik, und ich als gesellschaftspolitisch Engagierte, dachte mir – Na gut, warum nicht? Probier’s einfach …
Nun ist das Häuschen fertig. Und ich habe mir, falls weiter alles passt, das Ziel gesetzt, die nächsten vier Jahre bis 70 in der Politik zu bleiben …
Aber dann mit 70 … :-)
Na, schau ma mal, liebe Sonja, schau ma mal …
Monika Krampl meint
Und danke für das Busbild – da freut sich das alte Hippie-Herz! <3 :-)