Vor zwei Tagen habe ich, eine im 50. Lebensjahr stehende Frau, meinen ersten Handkuss bekommen, von einem älteren Herrn, einem ungarischen Fürsten.
„Wie altmodisch“, entfuhr es mir in Gedanken, während der Fürst, in einer für ihn selbstverständlichen Geste, meine Hand zu seinen Lippen führte, diese andeutungsweise schürzte, um dann noch andeutungsweiser nah an meiner Hand einen Kuss in die Luft zu hauchen. Fast war mir, als würde der Fürst von mir danach auch einen kleinen Hofknicks erwarten. Nicht weil er von mir irgendwie untertäniges Verhalten erwarten würde, der Mann steht trotz seines hohen Alters mitten im Leben, sondern weil sich nach so einem richtigen Handkuss eben ein kleines Knickschen gehört.
Ein Handkuss also. Eine Geste, wie aus der Zeit gefallen, eine Begrüßung zwischen Mann und Frau aus den letzten Jahrhunderten. Die Selbstverständlichkeit mit der der Fürst den Handkuss vollzog, rührte mich und erinnerte mich daran, dass auch ich kürzlich damit konfrontiert war, altmodisch zu sein.
Mein Verleger hatte beim ersten Lektorieren meines Buches einzelne Wörter rausgestrichen und mit „altmodisches Wort, bitte nicht verwenden“ markiert. „Etage“ war so ein angeblich altmodisches Wort und „Matinee“. Ich war im ersten Moment erbost, denn ich liebe meinen großen Wortschatz und die Vielfalt meiner Sprache. Zumal der gleiche Verleger meine Sprache als „elegant“ beschrieb. Also lehnte ich diese Korrektur strikt ab. Bis ich einen jungen Mann um die 20 fragte, ob er das Wort „Etage“ kenne und wisse was es bedeutet. Wusste er nicht. Er meinte lakonisch: „Nö, was soll das sein? Nie gehört.“ Da fällt mir ein, lakonisch“ ist auch so ein altes Wort.
Mit dem Prädikat „altmodisch“ spielt derzeit auch ein internationales Versandhandelunternehmen für Kleidung. Senta Berger, Hannelore Elsner und Christiane Hörbiger, allesamt ältere Schauspielerinnen, flöten von den Werbesujets „Seid nicht altmodisch“ und sollen damit zum Online-Shopping animieren. Altmodisch ist laut dieser Werbung also, wer gerne ganz normal einkaufen geht, durch die Stadt flaniert, im Geschäft Klamotten probieren will, dort dann auswählt und bezahlt, vielleicht auch noch mit richtigen Geldscheinen statt Kreditkarten. Wie altmodisch?!
Da stellt sich die Frage: Wie lange dauert es noch bis auch ich als altmodisch betrachtet werde, bis im Umgang mit mir sich auch jemand denkt „Meine Güte, die ist irgendwie auch aus der Zeit gefallen.“
Selbstverständlich weiß ich, dass sich die Welt immer weiter und weiter dreht, Sprache sich verändert, die Technik, die Arbeitswelt, unser Konsumverhalten, generell unsere Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Förmlichkeiten eben auch. Ich gehör auch nicht zu jenen RuferInnen, die meinen früher wäre alles besser gewesen. Mitnichten. Früher war die Welt oft Scheisse, sie war hart, kalt und nicht selten grausam.
Trotzdem: Ich hasse Online-Shopping, vor allem bei Kleidung. Diese langen Bestellvorgänge, das einsame Anprobieren, dann der ganze Aufwand mit dem Zurückschicken. Ist mir alles zu viel. Geht mir auf die Nerven. Ich mach mich gerne persönlich auf den Weg, rede mit der Verkäuferin, lass mich beraten und freu mich über das abschließende Lächeln und „Danke für Ihren Einkauf“ an der Kassa. Ich mag mein Smartphone und nütze auch einige Apps, aber mit immer mehr und mehr und mehr Apps bin ich eindeutig überfordert. Je älter ich werde, umso öfter greife ich wieder zu Dingen, die mir von früher vertraut sind. Meine Langspielplatten etwa. Seit einiger Zeit höre ich neben CD´s und ITunes wieder Vinyl! Und was soll ich sagen? Ich finde Vinyls einfach geil! Ich liebe es sogar, wenn man die doofen Kratzer hört oder die Nadel mal springt. Deshalb bin ich auch grad dabei meine Plattensammlung zu erweitern, pilgere zu Schallplattenflohmärkten oder wühle mich durch den ersten Stock des Musikladen Salzburg. Welche Fundstücke ich da ergattere! Ich fange gleich an zu schwärmen…..
Wenn ich so darüber nachdenke, dann muss ich mir eingestehen: Ich bin in einigen Dingen heute schon ein altmodisches älteres Mädchen. So what?
Vielleicht sollte ich eine Plattform mit dem Titel „Altmodisch? Na und!“ gründen. Und vielleicht sollte ich beim nächsten Mal diesen wunderbaren Handkuss des Fürsten genießen und ihm sagen, wie zauberhaft ich diese Geste finde und wie schade es eigentlich ist, dass sie verloren geht.
rochus gratzfeld meint
AltMODISCH-Na und? Seien wir altmodisch, wenn wir dabei jung bleiben. Nehmen wir die Vergangenheit mit in die Gegenwart und lassen wir sie nicht in der Zukunft verschwinden. Küssen wir Hand und lassen wir küssen. Der Fürst. Ein köstlich präsentes Relikt aus vergangener Zeit, aber nicht aus der Mode gekommen. Küss die Hand, liebe Sonja!
tonari meint
Ich bin in manchen Dingen auch old school. Und ich finde es nicht schlimm.
Aussterbende Worte zu verwenden, macht doch wirklich Spaß.
Ach ja, ich kenne das Wörtchen „Etage“ und verwende es oft, denn Stockwerk klingt noch viel, viel altmodischer ;-)
Sonja Schiff meint
:-D danke für deine moralische Unterstützung :-D