Ein halbes Jahr bin ich nun 50. Ich steh dazu, bin gerne in diesem reifen Alter angekommen. Aber eines ist klar: Würde ich zu der Sorte Frau gehören, die diesen Geburtstag gerne vergessen würde, es könnte mir nicht gelingen, denn die halbe Welt scheint zu wissen, dass ich gegen meine Falten kämpfen muss, nur noch mit Mühe aus der Badewanne komme und dass meine Blase tropft. Wie ich darauf komme? Nun, ich gehöre jetzt für die Werbung zum Krampfadergeschwader. Facebook labert mich plötzlich voll mit Anti-Aging-Werbung, Google empfiehlt mir Tena Lady und kürzlich poppte während des Lesens einer Online-Zeitung das Bild von so einer Badewanne mit Türe hoch.
Um nicht in eine Depression zu verfallen, habe ich mir jetzt 6 Tipps erarbeitet, mit denen ich hoffe ohne Schaden durch mein Älterwerden zu kommen.
Tipp 1: Lächeln, lächeln, lächeln.
Was gibt es schlimmeres als diese Falten, die jeden sehen lassen, dass man ein grantiges Wesen ist. Und seien wir ehrlich, da draußen rennen viele Leute rum, die diese grantigen Falten bekommen werden. Manchmal staune ich über so viel Grant in unserem wohlhabenden Land. Aber ich bekomme einmal Lachfalten, das sag ich Euch. Ich hoffe irgendwann Tausende davon zu haben. Ich lächle die frustrierte Frau an der Bushaltestelle damit an, ich zeige mein Lächeln dem miesmutigen Manager in der Bahn und auch den hupenden Autofahrer zeige ich mein breitestes Lächeln, wenn ich mit dem Rad im Stau an ihm vorbeifahre. Das Leben ist wunderbar! Und mit jedem Lächeln wird es wunderbarer.
Tipp 2: Farbe macht gute Laune.
Wie immer mehr älterwerdende Frauen, pfeife ich auf Konventionen und Anpassung. Ich bin ja sogar davon überzeugt, dass das Alter modemäßig befreit. Endlich ist mir weitgehend wurscht, was andere denken. Endlich bin ich ganz bei mir und meiner Lust auf Mode. Ein lila Hut zum gelben Mantel. Orange Leggings zur blitzblauen Tunika. Protzigen Ketten, schillernden Broschen, bunten Strumpfhosen, ein cooler Undercut und rote Lippen. Grau wird irgendwann mein Haar, aber nicht mein Styling!
Tipp 3: Leben im Augenblick und im JETZT.
Wenn man realisiert, dass das Leben begrenzt ist, und das habe ich zu meinem 50er kapiert, dann wird der Augenblick kostbarer. Was regen wir uns über Dinge auf, die bereits vergangen sind. Wie oft fürchten wir uns vor Dingen, die noch gar nicht da sind. Was für eine Energievergeudung. Es gibt so viele Momente täglich, die es Wert sind wahrgenommen zu werden. Das lachende Kind in der Straßenbahn, das Gänseblümchen am Wegrand, die zwei kichernden Freundinnen im Cafe, der mich anlächelnde Mann am Markt, der Wind der mir durch die Haare fährt. Es gibt im Leben immer auch schöne Momente, selbst wenn die Welt gerade dunkel erscheint. Mein Tag ist voll mit kostbaren Augenblicke, seit ich sie bewusst wahrzunehmen versuche.
Tipp 4: Lust und Freude im Leben.
Jede Frau kennt das: Du hättest im Cafe Lust auf ein Stück Torte, aber wegen der Figur…! Aber seien wir ehrlich, das Leben ist zu kurz für ewige Verbote und Selbstkasteiung. Größe 38 macht nicht glücklicher als Größe 44. Daher Schluss, Aus und Ende mit den Entsagungen. Dafür her mit dem Stück Sachertorte und bitte mit viel Schlag! Und wenn sich die Lust auf tanzen meldet, ja dann eine groovige CD in den Player und sofort lostanzen! Oder einen Salsa-Kurs buchen. Wann, wenn nicht jetzt?
Tipp 5: Neues wagen, Verrücktes tun.
Wie oft in meinem Leben wollte ich etwas Verrücktes tun, hab mich aber nicht getraut. Dabei gibt’s nichts zu verlieren. Aber alles zu gewinnen. Vor allem Adrenalin und gute Laune. Nackt im Freibad baden gehen bei Vollmond, einen Berg besteigen und am Gipfel nächtigen, sich einen Schmetterling auf die Schulter tätowieren lassen, ein Aktshooting bei einem Fotografen buchen (ja, auch in meinem Alter!), Bäume umarmen, das Saxophon spielen vorm Stephansdom. Es gibt so viel zu erleben.
Tipp 6: Kontakt mit jüngeren Menschen.
Studien zeigen, dass ältere Menschen häufig vor allem mit Menschen ihres Alters in Kontakt sind. Ich gehe hier bewusst einen anderen Weg und suche auch Kontakt zu Jüngeren. Ich geh zum Poetry-Slam-Festival, zur Street-Art-Aktion oder sogar zum Beat-Box-Training. Ich finde junge Menschen spannend und erfreue mich daran, wie sie die Welt erobern. Außerdem stärke ich gerne junge Frauen, sporne sie an, mache ihnen Mut. Sicher, manchmal schauen mich junge Menschen auch überrascht an, nach dem Motto: „Was will denn die Alte hier.“ Aber später, wenn sie mich kennengelernt haben, finde sie mein Interesse an ihrer Welt eher cool.
Hey Welt, hey Facebook und Google: Ich pfeife auf Anti-Aging und Euer altbackenes Bild von Alter!
Der Artikel ist am 25. April 2015 zuerst auf der Plattform Fisch + Fleisch erschienen.
Ute B. meint
Ich erinnere mich an schöne Feste / Fêten zu meinem 25er und 30er und dass ich seinerzeit gerne etwas älter gewesen wäre. Weil meine ganzen Freunde im Schnitt 10-15 Jahre älter sind als ich. Beim 40er gab es ein riesiges Gartenfest in meiner damaligen Wahlheimat in Spanien. Auch da war ich mit die Jüngste. Alle Nachbarn aus rund 20 Nationen waren in Pension dort, während ich noch einen Job erledigte. Jetzt mit 56 Jahren, würde ich mir wünschen, die (meine) Lebenszeit bzw. mein Alter für eine Dekade anhalten zu können. Daraus wird nix. Das weiß ich.
Sonja Schiff meint
hallo ute b. :-) ich glaube jeder würde gerne ab und zu die zeit anhalten. danke für deinen beitrag.