Heute habe ich mit Mann und Hunden einen Ort besucht, den ich jetzt einige Jahre gemieden habe, aus Angst er könnte sich all zu sehr verändert haben. Manche Orte und Dinge, vor allem jene, die ich mit mir wichtigen Menschen verbinde, will ich unverändert wissen. Ich will dann Veränderung einfach nicht sehen, weil sonst auch meine Erinnerung sich verändert. Versteht Ihr?
Der Ort, um den es geht, ist der wunderbare Stahlpark Riedersbach in Oberösterreich. Der Mensch, den ich mit diesem Ort verbinde ist Karlheinz Schönswetter, Gründer & Initiator des Stahlparks und ein Künstler, der nie zur Ruhe kam, der immer unter Strom stand, der eine Idee nach der anderen hatte und diese auch umsetzte. Bis sein Herz 2006 mit 65 Jahren aufhörte zu schlagen.
Ein paar Jahren davor bin ich, mit meinem auch künstlerisch tätigen Mann, über den Stahlpark Riedersbach sozusagen gestolpert. Wir fuhren von Oberndorf in Richtung Ostermiething und sahen am Rande der Straße, mitten in einem alten Kraftwerksgelände, eine riesige Stahlskulptur stehen. Also hieß es Bremsen rein, umdrehen und dieses Mysterium erkunden. Was war das für ein wunderbarer Platz! Nie hätte ich vermutet, mitten am Land diese großartigen, wuchtigen, rostigen Stahlskulpturen zu finden. Bei freiem Eintritt! Wir waren begeistert. Hunderte große und kleine Skulpturen, manche einfach perfekt, andere wunderbar unperfekt, manche schon von der Natur erobert und mit Efeu überwachsen, andere wieder blitzen aus dem hohen Sommergras hervor und wieder andere versanken bereits in der Erde. Stahlskulpturen, Natur und Kraftwerksgelände. Das hat Kraft!
Danach haben wir oft unsere freien Tage, Sommer wie Winter, auf diesem Gelände verbracht. Mein Mann hat viele Jahre Akt-Fotosessions im Stahlpark gemacht und dabei großartige Fotos produziert. Ich hab während dieser Fotosession, zwischen den Stahlskulpturen stehend, oft stundenlang Saxophon geübt. Inspirierend! Was für Erinnerungen…..
Die „Nudes“ hat mein Mann dann ausgestellt in Salzburg. Stahl-Ton-Bild hieß die Ausstellung. Zur Vernissage konnte Karlheinz Schönswetter zu unserem Bedauern schon nicht mehr kommen. Die Fotos hätten ihm sicher gefallen! Dafür kam seine Familie und sein Sohn hielt die Ansprache. Es war sehr berührend.
Es gibt Menschen im Leben, denen begegnet man nur kurz und trotzdem beeinflussen sie einen sehr. Professor Schönswetter war so ein Mensch. Mir hat seine Umtriebigkeit imponiert, seine Agilität und geistige Wendigkeit, sein Brennen für die Kunst generell, aber vor allem dafür, Kunst an ungewöhnliche Orte zu bringen. Und sein Anliegen, mit Kindern Kunstprojekte umzusetzen. Er hat es etwa geschafft, im Rahmen eines Kunstprojektes mit Kindern die Säulen des österreichischen Parlaments zu umhüllen. Wunderbare Aktion!
Kurz bevor Professor Schönswetter starb, haben wir gemeinsam ein „Kunst am Bau- Kunstprojekt“ entwickelt. Wir wollten die Bauherren und Betreiber von Seniorenheimen dazu bringen, beim Neubau von Seniorenheimen, Bewohnerinnen in die künstlerische Gestaltung des Seniorenheims aktiv einzubinden. HeimbewohnerInnen sollten als Künstlerinnen tätig werden. Ich hab mich so auf diese Zusammenarbeit gefreut. Doch es kam nicht mehr dazu.
Und heute war ich wieder dort. An diesem für mich so besonderen Ort. Im Stahlpark Riedersbach. Immer noch stehen da hunderte Stahlskulpturen herum. Und immer noch kann man bei freiem Eintritt durch den Park flanieren. Aber eines fehlt. Der Geist von Karlheinz Schönswetter. Der Stahlpark wirkt aufgeräumt, gesäubert, es riecht nach Struktur und Perfektionismus. Am Kraftwerksvorplatz, extra hübsch geschottert, stehen Unmengen von Skulpturen zur Präsentation. So viele, dass die einzelne Skulptur in ihrer Wirkung nicht mehr wahrgenommen werden kann und es ist auch unmöglich geworden, die einzelnen Skulpturen zu fotografieren. Fast alle Skulpturen sind gesäubert, da hat kein Efeu mehr eine Chance, verfallene und in die Erde versunkene Skulpturen wurden entfernt. Alles steht brav und ordentlich in Reih und Glied. Das tut weh. So viel fehlende Sensibilität für den Ort und die Kunstwerke schmerzt.
Wenn ich wollte, wie ich könnte, würde ich mir eine Skulptur kaufen, in meinen ungarischen Garten stellen und dann Jahr um Jahr zusehen, wie die Natur den Stahl und die Form erobert. Karlheinz Schönswetter würde runter lachen von oben und sich freuen. Da bin ich sicher!
rochus gratzfeld meint
Ein wunderbar geschriebener Artikel, den ich als „Betroffener“ sehr gut nachvollziehen kann. Und zwischen den Zeilen enthält für mich der Artikel einige elementare Forderungen: Das Recht, zu altern. Das Recht auf Individualität. Das Recht auf ein Heim, nicht nur auf eine Heimstätte. Um die aus meiner Sicht drei wichtigsten zu nennen.
veronika meint
Erinnere mich auch sehr gerne an unsere Sessions dort, dein Sax Spiel hör ich noch im Ohr Sonja!!! Und ich erinnere mich gerne an den Song, den ich in und an einer Skulptur gespielt und aufgenommen habe.
War auch vor längerer Zeit mal dort und hab mich über die Lieblosigkeit den Skulpturen gegenüber geärgert. Man macht sich nicht einmal mehr die Mühe einen schönen Platz für die Skulpturen zu finden. Alle stehen sie irgendwie vergessen und abgestellt am Eingang der Produktionshalle herum. Sehr schade….
Mike meint
Echt schöne Skulpturen. Besonders die Frau gefällt mir.