Kürzlich gab es in meiner Heimatstadt ein Treffen des Frauenrates, das ist ein Zusammenschluss engagierter Frauen und Frauenorganisationen, die in unserer Stadt die Gleichstellung von Frauen vorantreiben wollen. Nach einigen Jahren in einer Art Schlafmodus, wurde der Frauenrat jetzt wiederbelebt und ich bin als Mitglied mit dabei. Gestern haben wir Grundlagen diskutiert. Etwa ob ein 2012 politisch beschlossenes Leitbild zur Gleichstellung von Mann und Frau auch umgesetzt wurde und wenn ja, wie es umgesetzt wurde. Mit mehr Informationen will ich meine Leserinnen jetzt hier gar nicht belästigen. Mir geht’s in diesem Beitrag um nur einen Aspekt: Wie kann es bitte sein, dass wir Frauen diese Gleichstellung einfach nicht hinbekommen?
Ich merke an diesen Diskussionen, wie mir mehr und mehr die Galle übergeht. Wir Frauen sind 51% dieser Gesellschaft, haben also die Mehrheit, und immer noch kann man eine ellenlange Liste gesellschaftlicher Benachteiligungen von Frauen aufschreiben. Schlimmer noch, erlangte Gleichstellungen werden Stück für Stück rückgängig gemacht, vor allem von männlichen Politikern. Es geht immer mehr zurück in die Benachteiligung. Es ist echt zum Haare raufen!
Neuerdings gibt es wieder Regierungen, die mit einer Selbstverständlichkeit ganz ohne weibliche Politikerinnen auskommen (Oberösterreich). Es bestimmen Männer wieder die Diskussion, was Frauen kleidungsmäßig tragen dürfen (Kopftuchfrage). Männliche Politiker weisen wieder daraufhin, dass die Aufgabe der Frau die „Brutpflege“ ist (Norbert Hofer, Bundespräsidentschaftskandidat in Österreich) und mächtige Männer stellen das hart erkämpfte Recht auf Abtreibung in Frage stellen, wollen es verschärfen. So will Trump etwa Abtreibungen nur noch nach Vergewaltigung und Inzest erlauben. Vor ein paar Tagen gab auch noch der polnische EU-Politiker Janusz Korwin-Mikke seine Stellungnahme ab zum niedrigeren Verdienst von Frauen, er meinte „Natürlich müssen Frauen weniger als Männer verdienen“ und nannte auch den Grund dafür, nämlich „weil Frauen schwächer, kleiner und weniger intelligent sind, müssen sie weniger verdienen.“ Der Verdacht liegt nahe, dass diesem Herren das wenige Hirn in seine Eier gerutscht ist. Er meinte tatsächlich, was er von sich gab. Es handelte sich nicht um ein provokantes Satireprojekt.
Im Frauenrat ging es um die Frage, ob die Steuergelder Frauen und Männern im gleichen Ausmaß zugute kommen. Es ging darum, ob mittlerweile mehr Frauen in Führungspositionen sind. Es ging darum, dass tausende Frauen unbezahlt Eltern, Ehemänner, Schwiegereltern pflegen, dafür ihre Jobs aufgeben, dem Staat Milliarden einsparen und dafür als Dank geringere Pensionen erhalten. Es ging darum, dass Frauen keine Kindergartenplätze finden, weil Bürgermeister bestimmen wie viel davon es zu geben hat, darum dass uns im Fernsehen und in Zeitungen immer noch vor allem Männer die Welt erklären (schaut Euch diverse Diskussionssendungen an) …und und und…ich könnte unzählige weitere Diskussionspunkte angeben.
Was ist nur los mit uns Frauen, dass wir – obwohl wir 51% der Bevölkerung stellen – gleiche Möglichkeiten im Leben für Frau und Mann nicht und nicht hinbekommen? Ich kann es nicht verstehen!
Ich verstehe auch nicht, warum nicht mehr Männer aufstehen, auf den Tisch hauen und rufen: „Das geht doch nicht, dass Frauen immer den Kürzeren ziehen!“ Immerhin sind wir Frauen ja auch ihre Töchter, ihre Schwestern, ihre Ehefrauen, ihre Partnerinnen, die da benachteiligt werden. Ist Euch Männern das egal?? Warum?
Im Moment gibt’s für mich nur sehr wenige Männer, die Ungleichstellungen benennen. In meinem Leben ist es mein Mann. Danke Rochus dafür!! Ich kenne auch andere Lebenspartner, die das tun. Zum Glück. Das tröstet. Und im öffentlichen Bereich ist es der kanadische Ministerpräsident, der meint: Jeder Mann, jede Frau sollte sich als FeministIn bezeichnen und danach handeln. Für mich ein Leuchtfaden im politischen Universum.
Aber sonst? Gähnende Leere. Statt dessen Horden von Männern, die meinen Frauen sollten wieder zurück zu „ihrer Aufgabe“. Und Horden von Frauen, die diesem Ruf begeistert folgen und der Meinung sind, dass es „jetzt auch mal Schluss sein muss mit den Forderungen der Emanzen und man genug erreicht hat“.
Dieser kürzlich erlebte Frauenrat hat mich erschöpft und zermürbt. Wir fordern immer noch das Gleiche wie vor 10 Jahren, war so ein Gedanke, der mir durch den Kopf ging. Und dem folgte die Erkenntnis: Wir sind keinen Millimeter weiter gekommen!
Eigentlich unfassbar. Wir schreiben das Jahr 2017 und was längst schon Selbstverständlichkeit sein sollte in einer aufgeklärten westlichen Welt, ist immer noch in weiter Ferne, beziehungsweise wird sogar zurück gedreht.
Was ist nur mit uns Frauen los, dass wir da nicht konsequent dagegen auftreten und diese Benachteiligungen mit all unserer Kraft beenden? Es muss doch einen Grund dafür geben. Womöglich einen Grund, der in uns selbst liegt. Gibt es vielleicht einen Vorteil für uns Frauen, wenn wir schlechtere Lebens-Rahmenbedingungen haben? Lohnt es sich vielleicht nicht auf gleicher Ebene mit Männer zu leben? Was ist der Gewinn für Frauen, beständig Platz zu nehmen in der zweiten Reihe, statt in der gleichen Reihe?
Was ist der Gewinn still zu halten und mit Benachteiligungen zu leben? Einfach so. Unwidersprochen. Erduldend. Was ist der Gewinn? Was haben wir von unserem Verzicht auf gleiche Möglichkeiten?
Foto: pixabay.com
Simone meint
Ich glaube, so lange viele Frauen immer noch glauben, dass Feminismus „bäh“ ist und sie ihn nicht brauchen, weil sie sich ja durchsetzen können, und so lange sich Frauen gegenseitig schlecht machen, so lange wird sich nicht viel ändern. Eigentlich schade, denn wir sollten solidarisch miteinander sein – auch wenn wir nicht die gleichen Lebensvorstellungen haben,
Monika Krampl meint
Ja, dem stimme ich zu @Simone, aber wie du schreibst … „weil sie sich ja durchsetzen können“. Da beginnt es bereits – das Dilemma. Solange Frau sich durchsetzen muss, ist sie nicht gleichberechtigt.
Ich möchte zu Obigem auch noch ergänzen: Viel zu viele Frauen werden mit Themen aus den viel zu vielen Frauenzeitschriften beschäftigt und ruhig gestellt: Mode / Diäten / Kochrezepte / SchauspielerInnen und Adelige / Beziehungsgeschichten (in denen Frauen weiterhin die alles verstehen müssenden und umsorgenden / die Verantwortlichen für die Beziehungspflege, etc. sind). Ich habe mir erlaubt zu verallgemeinern. Denn natürlich ist es schön zu kochen, den Garten zu pflegen, Beziehungen auf gleicher Augenhöhe zu führen, etc. Aber nicht nur und ausschließlich. Es sollte ein Lebensbereich unter vielen anderen wichtigen und Freude machenden Lebensbereichen sein. Hier spielen doch viele alten Rollenbilder rein: Frau ist zuständig für Haus und Familie, Mann geht nach Außen und macht Politik …
Für mich, die ich kurz in die Parteipolitik hineingeschnuppert habe, stellt sich auch die Frage, wollen Frauen so – in der jetzigen Art – Politik machen. Oder wollen wir nicht anders? Heißt Gleichstellung nicht, mich dem patriarchalen System gleich zu stellen / auch einverstanden zu sein? Will ich das überhaupt? Was ist das weibliche Begehren – um mit Antje Schrupps (s.u.) Worten zu sprechen …
Tatsache ist, wir haben „herr“schende patriarchale Systeme. Sei dies nun das politische System oder auch das Beziehungssystem. Kurz habe ich gestoppt bei „dem“ Beziehungssystem, weil ich dachte, sollte ich nicht die Mehrzahl schreiben – die Beziehungssysteme. Aber – obwohl es in unserer Gesellschaft erfreulicherweise viele mögliche Beziehungsmodelle gibt, geht es doch zumeist um das vorherrschende Beziehungssystem. Eine andere Geschichte …
Wird zu wenig in Frage gestellt? „Was wollen die Frauen?“ Nachdem es nicht „die einheitlichen“ Frauen gibt, sondern viele verschiedene Frauen, wäre es nicht an der Zeit, die verschiedenen Begehren der Frauen an einen (möglichst runden ;-) ) Tisch zu bringen, um Kompromisse zu finden. Wäre es nicht an der Zeit, Systeme aufzubauen, in denen Frauen sich wohl fühlen, in denen sie auch gerne zusammen arbeiten? Um mit Nicole Liegers Worten zu sprechen: „Eine Politik der Anziehung“ zu machen? (Link siehe unten)
Im jetzigen Parteiensystem gibt es trotzdem einige sehr mutige und aufrechte Politikerinnen, die ich sehr schätze. Doch sie müssen sich „durchsetzen“ / kämpfen. Wie viel an Energie in diesem „Kampf“, der doch eigentlich ein „Miteinander“ sein sollte, verloren geht …
Vielleicht wäre auch hier die eine oder andere für etwas Neues zu gewinnen – wäre es doch ein Gewinn für uns Frauen.
Wir brauchen auch weibliche Zugpferde, wobei da das Wort „ziehen / Anziehung“ schon enthalten ist. Frauen die gerne in der Öffentlichkeit stehen und damit auch Vorbilder sind.
Ich habe vor einiger Zeit einen Tag mit an einem anderen politischen System interessierten Frauen organisiert. Ja, es gibt sie, die interessierten Frauen!
Ich für mich habe allerdings festgestellt, dass meine jahrzehntelange Zeit des Zugpferdes vorbei ist. Frischer Wind ist notwendig! Mitdenken in meinem Rückzugsraum und Vernetzen werde ich weiterhin. Weil mir Frauen – und Männer – wichtig sind.
„Eine neue Frauenmacht ist nicht gegen den Mann gerichtet und nicht gegen unsere Liebe zu den Männern, sie verlässt aber entschlossen diejenigen männlichen Strukturen, die zu der weltweiten Vernichtung des Lebens und der Liebe beigetragen haben. …
Wir laden alle engagierten Männer ein, sich unserer Friedensarbeit anzuschließen.“
(Sabine Lichtenfels)
http://homepage.univie.ac.at/nicole.lieger/pda.htm
http://antjeschrupp.de/solidaritaet-konkurrenz-feminismus
http://antjeschrupp.de/gleichstellung
Sonja meint
woow! danke monika für diese ausführliche stellungnahme und die links!
veronika meint
Servas Sonja, super Artikel, danke! Ich kann es auch nicht fassen, dass es nach so langer Zeit noch nicht besser geworden ist bezüglich Gleichstellung. Zumindest im Lohnsektor hätte sich doch schon längst was ändern müssen, wäre ja auch nicht die grosse Schwierigkeit etwas zu ändern. Aber es ist halt nicht gewollt, da bin ich mir sicher.
Und ansonsten kann ich nur sagen, dass unter den Frauen leider immer noch die Solidarität fehlt. Wenn ich durch die Strassen gehe und Frauen anlächle, du meine Güte, ich kann dir gar nicht sagen, was für eine Ablehnung da daherkommt, ganz massiv auch unter Mütter. Es sind einfach die bestimmten Blicke, die alles verraten. Leider.
Abschliessend möchte ich noch zum Ausdruck bringen, dass meine Tochter schon in dem Bewusstsein aufwachst, dass Frauen stark sind.
Busserl
Veronika
Sonja meint
Bin ganz bei Dir. Und zum letzten Punkt: :-) Gut so!