Wenn ich irgendwann einmal, in vierzig oder fünfzig Jahren, in einem Seniorenheim sitzen werde, dann werde ich den dortigen AltenpflegerInnen von diesem großen Tag in meinem Leben erzählen. Von dem Tag, an dem aus meinem Buch eine Oper wurde. „Es war der 23. Juni 2017, ein sehr heißer Sommertag in Wien……“ so in etwa wird wohl meine Erzählung beginnen.
Wie es dazu kam, wie aus meinem Buch eine Oper werden konnte, davon habe ich hier und hier ausgiebig geschildert. Wie es sich aber anfühlte am Premierentag im Publikum zu sitzen und zu erleben, wie meine Figuren nach und nach lebendig wurden, davon berichte ich Euch jetzt.
Eigentlich dachte ich, dass ich eher locker und ohne große Gefühlsausbrüche in der Uraufführung von Tanzcafé Schweigepflicht sitzen werde. Immerhin kenne ich jede Figur des Stücks, jede Geschichte auswendig, habe ich an den Texten, an jedem einzelnen Satz, manchmal stundenlang gefeilt. Da packen mich die Geschichten doch sicher nicht mehr! Oder doch?
Als ich dann zufällig zwei Stunden vor der Uraufführung auf Facebook ein Kurzvideo zum Stück sah und darin den Satz hörte „Wissen Sie, meine Frau erinnert sich vielleicht nicht mehr an mich. Aber ich erinnere mich an meine Frau. Das alleine zählt“, fuhr mir ein dumpfes Gefühl tief in meinen Magen und über meine Haut lief ein Schauer. Schlagartig war mir klar: Das wird ein sehr emotionaler Theaterabend für mich.
Und so war es dann auch. Der ganze Abend bestand aus tiefer Berührung und purem Glück. Berührung durch die Figuren und deren Geschichte, durch die Umsetzung der Schauspieler, durch die Poetik der Inszenierung und Glück darüber, dass ich das erleben darf.
Ich habe geweint, gestaunt und gelacht. Ich habe mich bei manchen Figuren gefreut sie quasi wiederzusehen und mit anderen wieder habe ich mitgelitten wie damals, als die Begegnung im realen Leben statt fand. Es war ein überwältigendes Gefühl zu sehen, wie meine Figuren, eine nach der anderen, zu leben begannen. Neu zu leben begannen! Es war einfach überwältigend. Als Frau Ninetti am Klavier ihre Molltonleitern spielte, bekam ich Gänsehaust. Als meine Großmutter gellend schrie „Kinder dreht euch nicht um!“ hat mein Herz aufgejault, als eine der Figuren bei „Singing in the rain“ sich wohlig duschte, lachte ich herzlich und als Hannah Goldberg endlich ihre Nelly im Arm hatte, schluchzte ich aus tiefster Seele.
Dazu die wunderbare Musik, komponiert von Jörg Ulrich Krah (er meinte im Vorfeld, mein Buch würde ihn inspirieren! Danke dafür!), die meine Figuren und ihre Lebensgeschichten begleitete. Für mich als Zuseherin spannend wie mit Musik Stimmungen erzeugt werden, wie Musik die Brücke darstellt zu Gefühlen, zum Unausgesprochenen, wie sie Raum schafft für Figuren und Bilder im Kopf erzeugt. Dann natürlich die Arien! Herrlich!
Besonders beeindruckt haben mich die sehr jungen Schauspielerinnen/ Sängerinnen. Was für eine unglaubliche Leistung, die Geschichte hochbetagter Menschen so ausdrucksstark und intensiv zu vermitteln. Ich werde Vivianne Causemann wohl nie vergessen, denn sie spielte meine verzweifelte Großmutter und alleine damit hat sie sich in mein Herz gebrannt. Ihre stummen Schreie als alte Jüdin, die vom Verlust ihres Babys erzählten, haben mich auch tief getroffen. Ich liebte es Da-Yung Cho aufgebracht und zornig ihre Arie singen zu hören in der Rolle der auf Schlankheit fixierten Anita und auch die Darstellung einer exaltierten Opernsängerin war wunderbar. Shirina Granmayeh hat mich tief berührt in ihrer Zartheit, wie sie in ihrem roten Kleid darauf wartet von ihrem Ehemann zum Tango geführt zu werden. In der Rolle als zornige pflegende Tochter wiederum war ich angetan von ihrer Kraft. Jakob Pinter hat mich zum Weinen gebracht als Ehemann, der weiterhin zusammen mit seiner Frau in einem gemeinsamen Bett schlafen will. Als mein Alter Ego, das nach dem Sinn des Lebens sucht, brachte er mich dazu über mich selbst zu lachen. Die einzige Schauspielerin in fortgeschrittenen Alter, Birgit Stimmer hat mich verzückt als Frau Ninetti und auch mit ihrer kleinen Tangoeinlage.
Meinen Bericht werde ich als Seniorenheimbewohnerin, in vierzig oder fünfzig Jahren, nach langem Schwärmen über die Oper und nach ausschweifendem Bericht, wohl mit dem Satz beenden „……Ich war bei der Premiere so unglaublich begeistert, wollte aufspringen und Thomas Desi, dem Regisseur des Stücks, und dem gesamten Team Standing Ovations geben. Aber ich hab mich nicht getraut, weil ich dachte es würde als Eigenlob interpretiert werden. Das ärgert mich rückblickend. Ich hätte drauf pfeifen sollen, ich hätte aufspringen sollen, meinem Herzen folgen und jubeln sollen! Denn die Gruppe hätte meine Standing Ovations verdient.“
Danke an Thomas Desi und auch an Georg Steker, den zweiten Direktor der Musiktheatertage Wien, sowie an das gesamte Ensemble und alle beteiligten Menschen auf, vor und hinter der Bühne. Ihr seid auf immer ein Höhepunkt in meinem Leben!
Presseberichte zu Tanzcafe Schweigepflicht:
Der Standard
Bezirksblätter
Dorfzeitung- Online Kulturzeitung
Falter
Kurier
Christa meint
Ich freue mich so für dich und in Kürze auf meinen Besuch der Oper und auf unser Wiedersehen. Ich bin schon neugierig darauf wie ich die Oper erleben werde. Bis bald!
Sonja meint
und ich bin sehr gespannt wie sie dir gefallen wird. und ich freu mich auf dich in ungarn!
bernhard jenny meint
hätte es mir sehr gerne angesehen, aber ich kann die bilokation noch immer noch nicht wirklich umsetzen. ich übe!
freut mich sehr, was da aus deinem buch geworden ist… weiter so!