Mit Romanen, die an Orten spielen, welche ich gut kenne, bin ich beim Lesen eher zurückhaltend. Es irritiert mich, wenn Gegenden in einem Buch dann anders beschrieben werden, als ich sie kenne und erlebe/ erlebt habe und ich damit den Eindruck gewinne, die AutorIn ist mit dem Ort des Geschehens gar nicht wirklich vertraut. Diskrepanzen dieser Art lenken mich einfach vom Inhalt ab. Und dann noch diese Bücher mit Salzburgbezug, diese seltsamen Krimis etwa, zwischen Mozartkugeln und Mord am Untersberg. Nein, ich lese keine Bücher, die in Salzburg oder Umgebung spielen. Also genaugenommen: Ich las bis jetzt keine Bücher dieser Art. Das hat sich kürzlich geändert.
Die letzte Woche hat mich nämlich Mareike Fallwickl mit ihrem Debütromen „Dunkelgrün fast schwarz“ in ihren Bann gezogen und tagelang nicht ausgelassen. Es war ein Salzburger Buchhändler, der mich auf Mareike Fallwickl aufmerksam gemacht hat. Er veranstaltet sogenannte Bücherbattles mit ihr, wo Frau Fallwickl und der Verleger Neuerscheinungen vorstellen und sich dabei quasi duellieren. Vor einiger Zeit habe ich mal so ein Bücherbattle besucht. Danach war ich neugierig auf diese junge Autorin aus meiner ehemaligen Heimatstadt Hallein.
Die ersten drei Sätze
Mit der Fingerkuppe streicht Moritz über Alaska, das Muttermal unter „Kristins Buchnabel. Es ist dunkel und so groß wie ein Daumennagel. Am linken Rand sitzen winzige Leberflecke, die beschreiben dieselbe Kurve wie die Aleutischen Inseln im Beringmeer.“
Zum Inhalt
Dürnberg bei Hallein. Ein Ort am gefühlten Arsch der Welt. Zwei Frauen mit kleinen Kindern. 2 Buben, die beste Freunde werden. Der eine, Moritz, schüchtern, unsicher, in sich gekehrt, sieht die Welt in Farben. Der andere, Raffael, schön anzusehen, durchtrieben, ein Arschlochkind. Dazu die Eltern dieser beiden Buben, zwei ungleiche Mütter, zwei Väter, die nie da sind und eine leidenschaftliche Affäre.
Und dann betritt Johanna, deren Eltern bei einem Unfall gestorben sind, die Bühne. Aus den unzertrennlichen, mittlerweile pubertierenden Freunden Moritz und Raffael wird ein Triumvirat: Moritz, Raffael und Johanna. Bis Johanna schwanger wird und die Welt der drei Jugendlichen auseinanderbricht und ihre Wege sich trennen.
16 Jahre später dann ein neuerliches Aufeinandertreffen. Raffael steht plötzlich vor Moritz Türe.
Zur Autorin
Mareike Fallwickl ist 1983 in Hallein geboren, dort in die Schule gegangen (etwa in jenes Gymnasium, welches auch die beiden Figuren Moritz und Raffael besuchen), hat allgemeine und historisch-vergleichende Sprachwissenschaft in Salzburg studiert, später besuchte sie in München das Textcollege.
Fallwickl arbeitet als selbständige Texterin, Konzeptionistin und Lektorin. Für eine wöchentlich erscheinande Zeitung schreibt sie die Kolumne „Zuckergoscherl“, außerdem betreibt sie schon seit Jahren den Bücher-Blog Bücherwurmloch.
„Dunkelgrün fast schwarz“ entstand mit Unterstützung eines Stipendiums des Bundeskanzleramtes/ Österreich, mit dem Buch wurde Fallwickls unter anderen 2018 nominiert für den Österreichischen Buchpreis. Die Autorin lebt heute in Hof bei Salzburg.
Meine Gedanken zum Buch
Da ist zuerst der Ort der Handlung. Hallein und Umgebung. Ich bin damit sehr verbunden, habe einige Jahre meiner Kindheit dort verbracht, konnte daher alle Wege der Figuren mitgehen, emotional wie räumlich. An einem Ort, dort spielt eine Schlüsselszene des Buches, habe ich besondere Erinnerungen: Das Gymnasium von Hallein und seine geheimnisvolle Umgebung. Es liegt etwas erhöht auf einem kleinen Hügel. Hinter der Schule geht der Wald hoch und Wege führen zu den alten Stollen des Salzbergwerks. Mein Spielplatz als Jugendliche. Es war wirklich spannend, was das Wissen um diese Orte mit mir beim Lesen des Buches macht. Manchmal war mir, als wäre ich dabei in der Erzählung, als wäre ich eine der ProtagonistInnen, so vertraut war mir Vieles.
Bemerkenswert fand ich auch die Figur des Moritz, der die Welt und die Menschen um sich in Farben gehüllt wahrnimmt. Alleine die Idee ist Wahnsinn. Aber wie Mareike Fallwickl dieses Farbensehen verwendet, um Stimmungen und Beziehungen zu beschreiben, ist echt grandios und hat mich sehr beeindruckt.
„Jo war gelb, ein Ananasgelb, ein Sternengelb, sie erinnerte ihn an Rapsfelder und den alten Postbus, eine schöne Farbe. Er mochte sie, wie alles an ihr. Sie war die Einzige, die ihre Farbe nicht direkt am Körper trug, ihre Präsenz war verschoben, von ihr abgetrennt.“ (S. 234)
Der Roman „Dunkelgrün fast schwarz“ überzeugt durch seine Vielschichtigkeit und Tiefe, wie auch durch eine überaus spannende Handlung. Nach und nach legt Mareike Fallwickl die Charaktere Ihrer Figuren frei, überrascht mit neuen Seiten, Verbindungen, Einsichten. Psycho und Drama, Symbiose und Manipulation, Freundschaft, kindliches Erwachen, Sex und Hörigkeit, dazu ein wenig Bonnie and Clyde. Das Buch ist wie ein stürmischer Ritt in die Abgründe des Lebens.
Dunkelgrün fast schwarz
Mareike Fallwickl
475 Seiten, Penguin Verlag
Dieser Artikel ist keine Werbung. Ich habe weder das Buchexemplar vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen, noch wurde ich für die Verfassung der Rezension in irgendeiner Weise honoriert. Ich hab das Buch gelesen, just für fun, es war meine Weihnachtsliteratur 2019, und dann, weil besonders gefallen, rezensiert. Möge das Buch weitere Kreise ziehen.
[…] Dunkelgrün fast schwarz. Mareike Fallwickl. Habe ich hier rezensiert: http://www.vielfalten.com/dunkelgruen-fast-schwarz/ […]