Sie steht gemeinsam mit mir an der Bushaltestelle, trägt ein Hello- Kitty-Shirt, Jeans, Sneaker von Converse in pink, rote mittellange Haare, Sommersprossen, eine große Zahnlücke und Tränen im Gesicht. Ich spreche das schluchzende Wesen (später erfahre ich sie heißt Janina und ist 8 Jahre alt) an und sie erzählt mir, dass ihr das Handy runtergefallen wäre, auf den Asphalt, nun ist das Display kaputt, nichts geht mehr. Wir steigen in denselben Bus und sie setzt sich neben mich. Um sie abzulenken mache ich eine Bemerkung zu den Ferien, dass diese bald beginnen würden und frag sie, ob sie sich schon darauf freut.
Sie nickt, also bleibe ich „am Ball“ und frage unbedarft weiter: Worauf freust Du Dich den besonders? Ihre Antwort mit heller Mädchenstimme: „Aufs Videospielen!
Mein Magen meldet sich mit einem dumpfen Gefühl. Aufs Videospielen! Ich versinke augenblicklich in Erinnerung an vergangene Sommer meines Lebens……
Ich denke an die Schotterbänke in Timelkam, wo Vöckla und Dürre Ager zusammenfließen, das kleine Badeparadies meiner Kindheit. Flussaufwärts konnten wir die Ager stauen und dann nach Flusskrebsen graben, die sich unter den großen Steinen versteckt hielten. Wir legten uns rücklings in das badewannenwarme Wasser der gestauten Becken und platzierten die krabbelnden Flusskrebse auf unsere nackten Bäuche. Wer das Kitzeln am Bauch am längsten aushielt, hatte gewonnen. Ich gewann oft!
Ich erinnere mich an die Luftmatratzenrennen an der Mündung zur Vöckla und an den einen Sommertag, als ich die Königin des „Gummihupfens“ wurde. Bis zur neunten Stufe, das schafften nur wenige!
Ich erinnere mich an die Freude, wenn Vater sonntags erklärte heute mit uns an den Attersee zum Baden zu fahren, an die Aufregung, wenn Wurstsemmeln und Himbeersaft eingepackt wurden und wie ich, nach Stunden im Wasser, mit blauen Lippen und eingewickelt in ein kratziges Badetuch endlich mein geliebtes Jolly-Eis in die Hand gedrückt bekam.
Ich erinnere mich an meine geliebte Schaukel, wie hoch ich mit ihr fliegen konnte, fast bis zum Himmel, und an meinen orangen Hüpfball, mit dem ich viele Wetthüpfbewerbe gewann. Ich denke an die vielen Räuber und Gendarm-Spiele, an Völkerball und „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann“.
Plötzlich reißt mich Janina aus meinen Erinnerungen, sie flötet: „Und auf den Europark freu ich mich, mit Mama und den Freundinnen“ (Anmerkung: das ist das größte Einkaufscenter Salzburgs). „Dort kauft mir Mama sicher auch ein neues IPhone.“
tonari meint
Tja, so ändern sich die Zeiten. Wenn wir von unseren Kindertagen berichten, klingt das allmählich wie „Omma erzählt vom vorm Krieg“. ;-)
Sonja Schiff meint
Tut es, jaaaa :-) Zu mir hat kürzlich eine Studentin gemeint: Ich mag ihre Geschichten so sehr. Das erinnert mich immer an meine Oma :-D Da wusste ich, jetzt ist es so weit….
Veronika Konrad meint
Nun ja, das Ferienerleben der kleinen Janina ist hausgemacht. Gegen Europark und i phone kommt halt kein Spielen an der Schotterbank an. Wenn 8jährige schon ein Handy haben und von diesem ihr Glück oder nicht Glück abhängt….
Aber und das ist das Gute: es gibt sie auch noch, die Mädchen und Buben, die an den Schotterbänken spielen und sich auf ihr Jolly freuen.
Sonja Schiff meint
Liebe Veronika, seh ich auch so. Aber es gibt auch viele Familien, die machen nix mit den Kindern, sitzen nur vor der Glotze. Dann sind Videospiele halt aufregend. Ja, zum Glück gibt’s auch andere KInder….. Bussi Schwesterherz!