Die richtigen Veganer werden jetzt die Nase rümpfen. Voll motiviert gestartet, bin ich schon nach kürzester Zeit kläglich gescheitert. Nach 14 Tagen muss ich bereits eingestehen, ich kann nicht total vegan mein weiteres Leben verbringen. Unmöglich.
Bei meinem Job, meinem ständigen Reisen und meinem Leben in Seminarhotels, ist eine vegane Lebensweise Entsagung pur. Dazu lebe ich zur Hälfte in Ungarn, einem Land wo Veganismus noch ein Fremdwort ist, zumindest am Land. Und ich bin mit einem Fleischesser liiert, der auch noch hauptsächlich für unsere Essensversorgung zuständig ist. Trotz Bemühen mein Vorhaben zu unterstützen, wird er nicht wirklich kreativ in der Menüzusammenstellung. Wie auch, ist ja nicht sein Vorhaben, sondern meines. Nur ich hab nicht die Zeit täglich zu kochen. Außerdem finde ich doppelt kochen ziemlich blöd in einer Beziehung.
Weitere Gründe für mein „Versagen“. Viel zu kompliziert ist aus meiner Sicht die vegane Nahrungsbeschaffung, viel zu umständlich die Versorgung mit Eiweiß und für meinem Körper viel zu hoch die Zufuhr von Kohlehydrate. Dass man Vitamin B 12 künstlich zuführen muss als Veganer lässt mich außerdem daran zweifeln, ob eine rein vegane Lebensweise für den Menschen überhaupt vorgesehen ist.
Dazu kommt die Hilflosigkeit meiner Umgebung mit veganem Essen. Was sollen wir kochen, wenn Du kommst? Isst Du Ei auch keines? Milch? Du magst sicher kein Vanilleeis? Fragen dieser Art haben mir gezeigt, dass Ausgrenzung droht, wenn ich den eingeschlagenen Weg weiter gehe. Nicht weil die Menschen mich ausgrenzen wollen, sondern weil sie eben unsicher werden bei Einladungen. Und hey, ich liebe es zum Essen eingeladen zu werden. Ich will, dass mich Freunde und Bekannte weiterhin gerne und freudig als Gast haben wollen.
Dazu kommt, dass es Produkte gibt, die mir eindeutig fehlen. Eier etwa und Topfen. Käse auch. Kann mir nicht vorstellen auf meinen geliebten Topfenaufstrich mit Schnittlauch für den Rest meines Lebens zu verzichten. Niemals.
Und außerdem, rein veganes Essen macht Blähungen. Ich fühle mich seit Tagen wie ein großer Gasballon. Täglich drohe ich zu platzen! Grausig!
War der Vegan-Selbstversuch umsonst?
Nein, ich bin dankbar darum, dass die 100.000 Liter-Milchkuh Gisela mich vor zwei Wochen aus meiner Ernährungsroutine gerissen hat. Sie hat mir die Augen geöffnet und mich sensibilisiert. Ich werde nie mehr so essen wie früher. Das ist sicher.
Milch werde ich gar keine mehr trinken, Reismilch, Hafermilch und Sojamilch sind ein guter Ersatz. Yoghurt brauch ich auch keines mehr, außer für das griechische Tsatsiki. Da finde ich ein Sojayoghurt mit diesem getreidigen Eigengeschmack einfach unmöglich. Topfen wird es selten geben und wenn, wird er etwas ganz Besonderes sein. Eier esse ich nur noch, wenn sie von glücklichen Hühnern stammen, von Bauern, die ich persönlich kenne. Ich sehe nicht ein, warum ich dann darauf verzichten sollte.
Fleisch werde ich weitgehend keines mehr essen. Ich sage jetzt bewusst nicht, dass ich auf Fleisch ganz verzichten werde. Ab und zu mal Schaffleisch kann ich mir vorstellen und mal ein/ zwei Blätter Schinken zum Spargel auch. Aber eben extrem selten. Nicht essen werde ich diese veganen Fleischersatzprodukte und Tofu. Was ich bisher getestet habe, schmeckte einfach furchtbar. Außerdem ist es Convenience-Food und diese Art von Essen mag ich gar nicht. Alles voll mit künstlichen Aromen und Zusatzstoffen. Nix für mich.
Dafür werde ich ab und zu einmal Fisch essen, vor allem biologisch gezüchtete Karpfen, Hecht und Wels. Oder von unserem kleinen Fischzüchter in Ungarn, da haben Fische nämlich noch richtig Platz zum Leben. Bei Käse werde ich keinen Käse aus Kuhmilch mehr essen, dafür Ziegenkäse von ungarischen Kleinbauern, wo sichergestellt ist, dass es keine industrielle Produktion gibt. Es gibt in Ungarn zum Glück hervorragenden Ziegenkäse. So wird Käse zur Delikatesse und steht nicht mehr täglich am Speiseplan.
Achja, bei Esseneinladungen werde ich niemanden mehr erzählen, dass ich bestimmte Dinge nicht esse. Wobei ich davon ausgehe, dass sich meine neue Ernährungsweise zu der ich jetzt gefunden habe, rasch herumsprechen wird.
Und was bin ich jetzt, also ernährungsmäßig?
Ich bezeichne mich einfach als halbvegan. Auch wenn Veganer jetzt entsetzt davonlaufen.
Elisabeth meint
Versteh dich gut, Sonja, Bin selbst auch „Teilzeitveganerin“. Zu Hause koche ich seit etwa drei Jahren ausschließlich vegan. Unterwegs lebe ich vegetarisch. Wenn ich zu Gast bin, wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Dass es zu Hause klappt, hängt damit zusammen, dass ich gerne koche und noch viel lieber experimentiere. Wenn ich dafür nicht die Zeit hätte (ja, gesund und abwechslungsreich kochen kostet Zeit!), wäre es mit dem veganen Leben bei mir vermutlich auch nicht weit her… – Wenn man aber selbst kocht, dann wird’s kulinarisch hochinteressant. Joghurt auf Basis von Mandelmilch und Cashewkernen oder Kokosmilch und Paranüssen zum Beispiel kann man gut selber machen und hat dann mehr als „Ersatz“ für Kuhmilch-Joghurt, da erschließen sich völlig neue Aromen.
veronika meint
Na Gott sei Dank!*grins*
Übrigens: Mandelmilch schmeckt auch sehr gut. Birkenzucker statt weißen Zucker. Gemüse und Obst vom (Bio) Bauern. Eier vom Bauern. Fisch vom Fischzüchter. Und letztendlich Fleisch vom demeterBauern. Wenige Einkäufe im Supermarkt. Mann und Frau können viel tun!
Bussi!
Gertrude Weingerl meint
So finde ich es vernünftig. Seit meiner Ayurveda-Kur esse ich viel weniger Fleisch. Daheim eigentlich keines mehr. Aber Eier. Vielleicht schmeckt dir angepasste ayurvedische Küche. Angespasst deshalb, weil wir andere Gewürze haben, die auch gut sind und weil wir auch verwöhnter sind im Geschmack.
Und wenn ich Fleisch oder Eier esse, dann schaue ich woher es kommt. Nicht so was: http://www.biorama.eu/preisvergleich-billigfleisch-vs-tierfutter/ Das muss wirklich nicht sein.
Und wegen kochen: Ich koche nicht gerne. Es muss schnell gehen. Aber Erdäpfel, Gemüse und viele Gewürze geht schnell. Das kann man selbst als Hauptspeise und der Partner als Beilage essen. Alles Gewohnheit und Umstellung. Ist letztlich nicht mehr Arbeit als vorher. Nur anders. Dauert seine Zeit.
Viel Freude weiterhin am guten Essen und guten Leben.
Gertrude
Sonja Schiff meint
Hallo Gertrude,
vielen Dank für deinen Bericht :-) Ayurvedische Küche mag ich als langzeitige Indienreisende sowieso!