Vor 2 Jahren, am 22. Dezember 2017, verdunkelte sich meine kleine Welt. Ein Ovarialtumor schleuderte mich von einem Tag auf den anderen aus meinem gemütlichen Leben und wirbelte alles kräftig durcheinander. Kein Stein blieb auf dem anderen. Eine große OP folgte, Krebszellen wurden gefunden. Doch wie durch ein Wunder löste sich nach 6 Wochen zu aller Überraschung alles in Wohlgefallen auf. Dem Krebs entkommen! Danke! Danke! Danke!
So weit weg und doch so nah
All das scheint mir manchmal unendlich weit weg, fast so, als wäre es in einem vergangenem Leben gewesen. Regelmäßig all drei Monate kommt das Erlebte aber wieder ganz nah. Da muss ich zur onkologischen Nachkontrolle und das macht mich immer ganz dünnhäutig und ängstlich. Und doch, nur ein paar Tage später, liegt auch diese regelmäßig wiederkehrende Angst wieder hinter mir. Ich habe das Urvertrauen in meinem Körper beinah wieder gefunden. Was für ein Glück!
Trotzdem nehme ich dieses Datum, den 22. Dezember, immer zum Anlass inne zu halten und über mein Leben nachzudenken. Darüber, ob ich gut auf dem Weg bin, ob ich auch wirklich „bei mir“ bin. Und auch ob ich diesem Glück, welches ich hatte, dieser Chance, die ich bekommen habe, wirklich gerecht werde.
Warum hatte gerade ICH so viel Glück?
Menschen mit schweren Erkrankungen fragen oft nach dem Warum. Warum bin gerade ICH krank geworden? Warum passiert das MIR? Diese Frage habe ich mir damals, vor 2 Jahren, seltsamerweise nie gestellt, wie ich HIER schon erzählt habe. Ich hab mir die Frage nie gestellt, weil meine Antwort eine einfache gewesen wäre: „Warum nicht ich? Warum soll gerade ich nicht plötzlich schwer erkranken?“
Für mich spannend: Diese Frage nach dem WARUM beschäftigt mich erst jetzt wirklich. Heute wo alles vorbei ist und ich wieder mein Leben lebe, frage ich mich oft „Warum hat es das Schicksal genau mit MIR so gut gemeint?“ und auch „Warum hatte ICH so viel Glück, während schon einige Wegbegleiterinnen von damals, auch einige Leserinnen meines Blogs, mittlerweile verstorben sind?“ oder „Warum darf ICH so gesund und unbeschadet weiterleben?“
Mehr noch, ich bin nicht einfach nur gesund, ich bin derzeit auch beruflich in einer unglaublichen Hochphase, habe quasi einen „Run“, bin so erfolgreich wie noch nie. Doch immer wieder lässt mich eine innere Stimme in diesem „Run“ innehalten, erinnert mich. Dann frage ich mich: „Warum hatte gerade ICH so viel Glück?“
Klar könnte ich auch jetzt antworten wie damals, „Ja, warum denn nicht ich? Warum soll ich nicht Glück haben?“
Nur, mir kommt diese Antwort nicht in den Sinn…..
Dankbarkeit. Gratefulness.
Mein Glück ist ein Geschenk. Jeder einzelne Tag ist ein Geschenk. Im Trubel des Alltags, vor allem im beruflichen Trubel, geht mir das Bewusstsein für dieses große Geschenk oft verloren, laufe ich wieder im Hamsterrad, hetze ich von Termin zu Termin und vergesse. Aber der 22. Dezember erinnert mich regelmäßig daran. Und das ist gut so.
Seit einiger Zeit begegne ich, online oder in Zeitungen, immer wieder der Bewegung Gratefulness von Bruder David Steindl-Rast, einem sehr beeindruckenden Benediktinermönch, der sich viele Jahre dem interreligiösen Dialog widmete. Vor einigen Tagen las ich in der Salzburger Straßenzeitung Apropos ein Interview mit Bruder David und…..plötzlich kullerten bei mir die Tränen. Mich, einen Menschen, der Religionen zutiefst ablehnt, bringt tatsächlich das Interview eines Mönches zum Weinen?
Bruder Davids Aufruf: Dankbarkeit als Grundhaltung im Leben. Dankbarkeit für jeden Augenblick. Die Einzigartigkeit jedes Moments wahrnehmen. Nichts ist selbstverständlich, alles ein Geschenk: Der Mensch an meiner Seite, mein Essen, das saubere Wasser aus der Leitung, Regen wie Sonnenschein, die Blumen am Wegrand, die Wolkenformation. Jeder Augenblick ist einzigartig und ein Geschenk.
Auf die Frage der Journalistin „Was verlangt das Leben?“ antwortet Bruder David in der Zeitung Apropos:
„Im Augenblick zu leben und sich immer wieder in den Augenblick zu bringen. Und zu versuchen, dem Anspruch, den das Leben in diesem Augenblick an uns stellt, gerecht zu werden.“
Also im Augenblick sein. Zuhören. Wahrnehmen. Immer wieder innehalten. Tun, was gerade jetzt getan werden muss. Das JETZT leben. Das JETZT feiern. Und dankbar sein für diesen Moment.
Mehr Dankbarkeit für den Augenblick in mein Leben bringen!
Eine einfache Erkenntnis, die mein tiefstes Inneres berührt und zum Schwingen bringt, als wäre es ein Aufruf an mich.
Deshalb habe ich mir vorgenommen, mehr Bewusstsein für die Besonderheit des Augenblicks in mein Leben zu bringen. Mir mehr bewusst zu sein, dass jeder Augenblick ein Geschenk ist und diesem Augenblick Dankbarkeit entgegenbringen.
Seit einigen Tage starte ich auf neue Weise meinen Tag: Ich spüre mir selbst nach, noch in meinem Bett liegend nach einer langen Nacht, danach stehe ich bewusst auf, genieße bewusst meine Dusche, mein Frühstück, den Spaziergang mit den Hunden. Auch während des Tages richte ich meinen Blick immer wieder bewusst auf das, was mich gerade umgibt, halte inne, betrachte, staune, spüre nach und auch abends, wenn ich ins Bett gehe, versuche ich den Tag bewusst abzuschließen, spüre ich meine Ruhe und Müdigkeit kommen, genieße ich bewusst die Wärme meines Bettes und den Frieden, in dem ich lebe…….… und tatsächlich, das Herz öffnet sich! So viel Glück! Dankbar für dieses wunderwunderbare Leben!
Und Du? Wie gehst Du um mit dem Augenblick?
Gabi meint
Liebe Sonja
Gudrun vom Blog 60plus na und hat im Oktober eine Krebsdiagnose bekommen. Da habe ich auch wieder einmal darüber nachgedacht, daß man sich nicht alles aussuchen kann im Leben. Und meine kleinen Unzufriedenheiten eine Banalität sind – so kommt Dein Beitrag genau richtig. Auch ich bemühe mich jeden Tag vor dem Aufstehen dankbar zu sein für alles, was man hat, genau wie Du es beschreibst. Wenn man krank ist dann ist nichts anders mehr wichtig als gesund zu werden. Das vergißt man oft! Ich wünsche Dir eine gute Weihnachtszeit. Liebe Grüße Gabi
Sonja meint
Liebe Gabi, auch Dir und den Deinen ein schönes Weihnachtsfest. Und vielen Dank dafür, dass Du immer wieder bei meinem Blog vorbeischaust und so fleißig kommentierst. Freut mich jedes Mal!
suzie meint
mir geht es wie dir. zwar habe ich mich schon gefragt „warum ich“, auch damals, als ich vor mittlerweile 16 jahren die krebsdiagnose bekam. die antwort war einfach „pech“. und wenn ich mich jetzt frage „warum bin ich gesund geworden“ ist die antwort auch einfach: ich hatte glück. kein tag vergeht, an dem mir dies nicht bewusst ist. möge das glück uns weiterhin wohl gesonnen bleiben! alles liebe, suzie
Sonja meint
:-) schöne weihnachten suzie und gesundheit für 2020!