Dieser Tage ist es ein Jahr her. Ich schrieb diesen etwas galgenhumorigen Artikel mit dem Titel Die Lady mit den Stützstrümpfen, weil mein Körper plötzlich, von einem Tag auf den anderen, verrückt spielte und mir auf eine seltsame Art und Weise entglitt. Was dann kam waren schmerzvolle, verzweifelte und dramatische Tage, Wochen und Monate. Am Ende ging für mich, überraschend und wundervollerweise, alles gut aus. Eine Krebsdiagnose mit schlechter Prognose verwandelte sich in einen Tumor, der nur so tat als wäre er ein Karzinom. Glück gehabt!
Rückblick auf Monate voll Schmerz
Mit viel Respekt schaue ich auf die Zeit vor einem Jahr zurück. Wie fassungslos ich war über die plötzlichen Schmerzen. Ich, die ich mich so unbesiegbar fühlte, konnte plötzlich keinen Schritt mehr gehen ohne quälender Schmerzen. Ich erinnere mich an meine Verzweiflung Anfang November, als ich tagelang nur rumliegen konnte, weil ich unfähig war meine Knie zu beugen. Und ich erinnere mich an den einen dunklen Tag, als ich mich, obwohl mir nur zum Weinen war, den langen Flur in unserem Haus auf und ab schleppte und dabei das Lied „Always look on the bright side of life“ sang. Ich hatte so unfassbare Angst davor, den Rest meines Lebens mit diesen Schmerzen leben zu müssen. So unfassbare Angst.
Rückblick auf die innere Hölle
Dann der lange Weg zu einer Diagnose. Was ich mir alles anhören musste an Ratschlägen! Wie ich mich wehren musste gegen schnelle ärztliche Diagnosen! Ich wusste, dass da mehr dahintersteckte. Ich wusste, dass mein Körper mir eine Botschaft schickt. Nur welche? Diese Botschaft zu entziffern war ein mühsamer und langer Weg. Am Ende war es ein Eierstocktumor. Meine Welt versank.
Dann drei Wochen warten auf die Operation, Auseinandersetzung mit allen existentiellen Fragen des Lebens. Endlich die Operation und beim Aufwachen aus der Narkose als Diagnose: Krebs. Die dunkelsten Tage meines bisherigen Lebens folgten. Gedankliche Vorbereitungen auf eine höchstwahrscheinliche Chemotherapie. Und dann, als ich bereit war alles zu geben, plötzlich die erlösende Nachricht. Keine Chemo notwendig. Ich konnte wieder zurück ins pralle Leben. Einfach so. Die gute Nachricht kam genauso unvermutet wie zuvor die schlechte Nachricht.
Blick zurück in Dank und Demut
Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich jetzt immer im September meinen zweiten Geburtstag feiern würde, nach diesem tollen Ausgang. Nein, das werde ich nicht. Bei allem Drama, das ich erlebt habe, war das Schicksal gnädig mit mir. Ich hatte nicht viel zu kämpfen. Ich musste nicht wirklich viel erleiden. Daher wäre so eine Geburtstagsfeier a la „zweites Leben“ , aus meiner Sicht, schon eine grobe Anmaßung. Ich habe nämlich in den vergangenen Monaten viele Menschen kennengelernt, die wirklich kämpfen müssen und das in oft bewundernswerter Weise tun. Einige von ihnen haben den Kampf auch bereits verloren. Nein, ich feiere keinen zweiten Geburtstag, abgesehen davon, dass ich sowieso jetzt um die Zeit Geburtstag habe :-)
Was ich im Moment aber schon viel mache ist, mich zu erinnern. Nicht nur aus eigenem Impuls, auch aufgrund meines Umfeldes. Freunde tippen mir auf die Schulter und sagen „Weißt noch, vor einem Jahr….“. Kürzlich war jene Freundin zu Besuch, die mit mir und meinem Mann das wohl traurigste Silvesterfest ihres Lebens gefeiert hat (Ich bin dir auf ewig dankbar, Imola!) und jene befreundete Ärztin, die meine ersten Beschwerden entgegen nahm damals vor einem Jahr, war kürzlich bei uns zum Abendessen und wir haben Resümee gezogen.
Wenn ich jetzt so zurückblicke, dann bin ich einfach nur unendlich dankbar und empfinde Demut. Warum ich so viel Glück haben durfte und andere dieses Glück nicht bekommen, werde ich wohl nie erfahren und auch nie verstehen. Ich kann mein Glück, mein Leben, meine wiedererlangte Gesundheit nur annehmen, dafür danken. Jeden Tag. Und das tute ich! Das Leben, unser aller Leben, hängt am seidenen Faden. Immer. Tag für Tag. Das weiß ich jetzt. Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter Tag. Ein kluger Spruch. Oft gelesen. Ich aber verstehe den Satz jetzt mit jeder Pore meines Seins.
Urvertrauen in mich und meinen Körper zurück erobern
Woran ich noch arbeiten muss, ist mein Vertrauen in mich und mein Schicksal wieder zu finden. Kürzlich zeigte sich eine kleine Komplikation, ich habe einen minikleinen Narbenbruch und daher im Moment eine kleine Delle in der Nähe des Nabels. Als Krankenschwester kenne ich so etwas, es handelt sich um eine banale Komplikation. Rasch und einfach zu beheben. Nicht der Rede wert. Mein Hirn wusste also Bescheid. Trotzdem hatte ich Nacht für Nacht Tumorträume und wachte schweißgebadet oder weinend auf. In zwei Wochen habe ich erneut einen Termin zur onkologischen Nachkontrolle. Ich fühle mich fantastisch und bin mir eigentlich sicher, dass alles gut ist. Eigentlich.
Mein Innerstes ist noch sehr fragil. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis ich mein Urvertrauen zu meinem Körper zurückerobere. Aber auch das werde ich wieder finden.
Danke Schicksal.
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