Mein Freund Mohammed trägt ein Foto bei sich, von dem er hofft, dass es ihm die Zukunft in Europa sichert, ein Foto an dem seine ganze Hoffnung hängt. Wir kennen uns schon einen ganzen Monat, als er mir zaghaft beginnt davon zu erzählen und mir irgendwann dieses Foto zeigt. Es zeigt Mohammed in Militäruniform, neben ihm ein deutscher Soldat. „Das ist Uwe“ erklärt er mir und tippt mit dem Finger auf den deutschen Soldaten. „Er war mein Freund. Wir haben zusammen gegen die Taliban gekämpft“.
Danach erzählt mir Mohammed die Geschichte seiner Flucht. Er gehört der verfolgten ethnischen Minderheit der Hazara an und hat dem deutschen Militär im Kampf gegen die Taliban zugearbeitet, als Dolmetscher. Deshalb musste er fliehen und deshalb wäre eine Rückführung nach Afghanistan sein Todesurteil.
Eigentlich wollte mein Freund Mohammed, wie Tausende andere Flüchtlinge, nach Deutschland. Eben zu Soldat Uwe, dem einzigen Menschen in Europa den er kennt. Von Uwe hatte er immerhin ein Foto, den Vornamen, sowie eine Telefonnummer, die sich allerdings als nicht mehr „available“ herausstellt. Uwe ist Mohammed´s ganze Hoffnung, den er kann bestätigen, dass Mohammed wirklich Soldat war und gegen die Taliban gekämpft hat. Ohne Uwe hat Mohammed nur das Foto als Beweis. „Werden Sie mir glauben?“ fragt er mich deshalb seit Wochen, wann immer wir über das näher rückende Interview mit der österreichischen Asylbehörde reden, welches entscheiden wird, ob er in Österreich bleiben kann.
Irgendwann, erneut stellte Mohammed die bange Frage „Will they believe me?“, höre ich mich sagen: „Ich werde versuchen Uwe zu finden, okay? Garantieren kann ich aber nichts.“ Mein Freund Mohammed sieht mich an, kurz leuchten die Augen auf, versinken dann aber sofort wieder im Dunkel.
10 Tage später: Es ist acht Uhr morgens und mein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung: Uwe, der Soldat. Mein Herz macht einen Sprung. Wo Mohammed lebt, was der tut, wie es ihm geht, sind seine ersten Fragen. Danach reden wir, erzähle ich, erzählt der Soldat Uwe. „Und bitte sagen Sie ihm einen schönen Gruß“ ruft er ins Telefon als wir nach etwa 15 Minuten das Gespräch beenden.
Heute ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens, denn ich konnte meinem jungen Freund Mohammed mitteilen, dass ich den Soldaten Uwe gefunden habe. Dieses Gefühl der Freude ist überwältigend! Spätestens kommende Woche kann Mohammed mit ihm persönlich reden. Seine Freude, auch wenn sie in arabischer Manier zurückhaltend war, werde ich nie vergessen.
Ich bedanke mich bei der deutschen Bundeswehr für die (für mich) unfassbare Freundlichkeit und Anteilnahme an meiner Suche. Ich bin überwältigt von dem mir bei meiner Suche entgegengebrachten Respekt und der Hilfsbereitschaft. Mehrmals teilte mir der zuständige Oberleutnant mit, dass die deutsche Bundeswehr um ihre Verantwortung für die afghanischen „Ortskräfte“ weiß. Deswegen gibt es übrigens auch ein ehrenamtliches Patenschaftsnetzwerk für afghanische Ortskräfte, die geflüchtet sind.
Ganz besonders gerührt bin ich aber von Soldat Uwe. Sein Name durfte mir nicht bekannt gegeben werden, denn die Bundeswehr muss seine Soldaten und deren Angehörige schützen. Es war Soldat Uwe, der sich entschied mit mir in Kontakt zu treten und jetzt für Mohammed einzustehen. Als ich heute Morgen seinen Namen hörte am Telefon und seine Stimme, hat mein Herz geklopft wie ………einfach unbeschreiblich!!
„And he really remembers me?“ flüsterte Mohammed fast ungläubig, als ich ihm von meinem morgendlichen Telefonat berichtete. Danach fragte er bange „And he really will contact me?“
Und ich konnte sagen: „Du musst keine Angst mehr haben, mein Freund. Uwe wird Dich kontaktieren. Schon kommende Woche. Versprochen.“
rochus gratzfeld meint
Ich hoffe so sehr auf ein Happy End.
Die Haltung des deutschen Soldaten imponiert mir.
Dass auch mein Sohn, der über Jahre dem deutschen Militär angehörte, in dieser Sache ein wenig Hilfe leisten konnte – wunderbar. Danke, Guido.
Die Moral:
Machen wir uns bitte die Mühe, die Schicksale zu begreifen, die hinter den Schicksalen stehen.
Evelyn Kuttig meint
Diese Geschichte berührt mich, nicht nur weil Du Dich, liebe Sonja, engagiert hast und den richtigen Weg für Mohammed gefunden hast, auch wenn Du nicht verrätst, wie Du vorgegangen bist.
Von der Übernahme von Verantwortung für die afghanischen Helfer der Bundeswehr in Afghanistan, die fliehen müssen, weil ihr Leben in ihrer Heimat bedroht ist, las ich vor Monaten im Netz. Das dieses Netzwerk funktioniert, löst bei mir große Freude aus. Das zeigt mir, dass ich ein Vorurteil gegen eine Behörde abbauen kann. Na ja, ich weiß eigentlich, dass es überall „Menschen“ gibt, und ein Ziel mit der richtigen Ansprache erreichbar ist, was Dir zu verdanken ist :-)
Lieben Gruß
Evelyn
Sonja Schiff meint
Hallo Evelyn, ich habe einfach die Bundeswehr, Abteilung Auslandseinsätze, angeschrieben. Der Oberleutnant meinte er dürfte mir den Namen eines Soldaten nicht nennen aus Sicherheitsgründen. Aber er gab mir den Tipp zu schauen, ob ein Namensschild zu erkennen ist am Foto und selbst in den Sozialen Medien zu suchen. Also zoomte ich das Schild groß und es gab einen Namen, aber nur schlecht leserlich und fragmentarisch. Diesen Namen bzw. die Namensvariationen mit dem Foto schickte ich wieder an den Oberleutnant und fragte an, ob es vielleicht möglich wäre, dass der Soldat, sollte er gefunden werden, selbst entscheidet sich zu melden bei mir oder nicht. Eine Woche später läutete das Telefon :-) Es war also überraschend einfach!!