Bis zum Jahr 1956 diente die Brücke von Andau, eine kleine Hilfsbrücke aus Holz über den Einserkanal zwischen Österreich und Ungarn, den Bauern im Seewinkel zur Erreichung ihrer Felder, die oft auf beiden Seiten der Grenze lagen. Dann kam der ungarische Volksaufstand und eine Flüchtlingswelle Richtung Westen setzte ein. Insgesamt flohen 200.000 Ungarn in den Westen. Über die Brücke von Andau kamen rund 70.000 Menschen nach Österreich. Am 21. November 1956 wurde die Holzbrücke von ungarischen Soldaten dann gesprengt und der Massenflucht damit Einhalt geboten. Vierzig Jahre später, am 14. September 1996, wurde die Brücke von Andau, in Zusammenarbeit ungarischer und österreichischer Soldaten, neu errichtet und feierlich eröffnet. Heute ist sie ein wichtiges Mahnmal gegen Gewalt, Intoleranz und Verfolgung.
Die neun Kilometer lange „Fluchtstraße“ zwischen dem Ort Andau und der Brücke von Andau ist ein beliebter und schöner Spaziergang. Große Gebiete rechts und links der Straße sind Naturschutzgebiet und im Frühjahr kann man hier die seltene Großtrappe beobachten. An Sonntagen reiht sich dann hier ein Auto an das andere, wenn die Ornithologen aus aller Welt einfallen und nach Fotomotiven suchen.
Seit einigen Jahren lebe ich mit meinem Mann, mehr als ein Drittel des Jahres, in Ungarn, nicht weit von der Grenze zu Österreich. Die Brücke zu Andau und ihre Geschichte ist hier immer noch präsent. Ältere Dorfbewohner erzählen davon, wie sie als Kinder von der Schule an die Grenze gekarrt wurden und am Bau des Stacheldrahtzauns mitarbeiten mussten, sich also ihr eigenes Gefängnis schaffen mussten. Auch Fluchtgeschichten kennt fast jede Familie.
Mein Mann und ich gehen den Spaziergang zur Brücke von Andau oft, am liebsten im Herbst und Winter. Entlang der Straße finden sich uralte, knorrige Bäume voll mit Misteln, zahlreiche verfallende Skulpturen und Installationen säumen den Weg und so entsteht hier eine etwas morbide und archaische Stimmung. Wir lieben das! Es passt zu diesem Ort und seiner Geschichte.
Vor ein paar Tagen gingen wir den Spaziergang wieder. Auf dem Weg zur Brücke von Andau war es düster und nebelig. An der Brücke öffnete sich plötzlich der Himmel und die Sonne schien. So habe ich jetzt von meiner Lieblingsstelle an der Fluchtstraße ein düsteres Nebelfoto und als Vergleich ein etwas freundlicheres Foto.
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