Nie in meinen bisher gelebten 52 Jahren wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich mir irgendwann die Frage stellen würde „Werde auch ich Krieg erleben? 1964 geboren hatte ich das große Privileg, mein Leben in Frieden zu verbringen. Krieg kenne ich nur aus Erzählungen, von den Eltern, Großeltern und von vielen PatientInnen, denen ich in meiner Arbeit als Altenpflegerin begegnet bin.
Sicher, es gab in den 52 Jahren immer wieder politisch kritische Situationen, in denen ein Krieg bedrohlich nah kam. Der Golfkrieg etwa, täglich via Fernsehen ins gemütliche Wohnzimmer geliefert. Dann der Jugoslawienkrieg, als an der österreichisch-slowenischen Grenze die Panzer auffuhren. Krieg vor der Haustüre quasi! Und kürzlich erst die Krise in der Ukraine, auch hier fuhren die Militärs auf, direkt vor den Toren Europas. Klar war das bedrohlich. Kurz. Für ein paar Tage. Aber im Grunde wusste ich, dass diese Kriege mir fern bleiben würde, uns in Österreich fern bleiben würde.
Ich bin aufgewachsen in einer Zeit, in der sich unsere Gesellschaft aufgemacht hat offen und liberal zu werden. Eine ganze Generation hatte vor uns für mehr Freiheit und Individualität gekämpft und ich durfte, mit meiner Generation, diese Freiheit weiter entwickeln. Ich erinnere mich an mein inneres Jubeln als die Mauer fiel und die Menschen der ehemals kommunistischen Staaten freie Bürgerinnen wurde. Mir geht mein Herz heute noch über, wenn ich an den Tag denke als Europa seine inneren Grenzen öffnete und ich frei und ohne Kontrolle über die deutsche Grenze fuhren konnte. Reisen wohin ich wollte. Arbeiten wo ich wollte. Europäerin! Grandios! Ich denke an einen lieben Freund, der Mitte der 80er Jahre noch vom Lungau nach Wien übersiedelte, weil er in der großen Stadt als Homosexueller hoffte nicht aufzufallen und nicht verspottet zu werden. Wie freue ich mich heute noch darüber, dass dieser Mann vor ein paar Jahren zurück in den geliebten Lungau ziehen konnte, gemeinsam mit seinem Partner, denn niemand verhöhnt ihn dort noch, im Gegenteil, er ist Mitglied des Gemeinderates im Dorf. Ich schätze mich glücklich, als Frau heute jeden Beruf erlernen zu können, den Weg meines Lebens selbst bestimmen zu können. Auch wenn die Gleichberechtigung in vielen Bereichen dem Wunsch hinterher hinkt, so ist trotzdem viel in Bewegung, immer mehr Männer bezeichnen sich als Feministen und für immer mehr Menschen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben.
In all den vergangenen 52 Jahre hatte ich das Gefühl, wir bewegen uns als Gesellschaft immer weiter nach vorne, wir gehen weiter in Richtung Liberalität, Großzügigkeit, Solidarität, Freiheit. Ich war mir sicher mein gesamtes Leben in Frieden zu verbringen und ich hatte sogar die Hoffnung, dass auch nachkommende Generationen in Europa Frieden finden würden.
Doch seit einigen Monaten spüre ich in mir bereits dumpfe Spuren von Angst, dieser irgendwie selbstverständlich gewordene Frieden in der westlichen Welt könnte einbrechen. Nationalismus, Populismus, die neuen „besorgten Bürger“ und die vielen Rufe nach schnellen Lösungen, nach Sündenböcken und Schuldigen – meine Alarmglocken schrillten. Aber immer noch glaubte ich daran, dass wir als Gesellschaft gelernt haben und Gefahren, die unsere Demokratien bedrohen und damit unseren Frieden, erkennen und abzuwehren verstehen. Merkels Haltung, die Wahl Alexander Van der Bellens nährten diese Hoffnung.
Aber nun ist seit einer Woche ein nationalistischer Narziss in den USA an der Macht, der alles kurz und klein schlägt was gerade noch von Wert war, und plötzlich ertappe ich mich dabei, wie ich überlege, was ich tu würde, wenn…….. ja….wenn wieder Krieg kommen würde.
„Den Leuten am Land ging es auch im Krieg nicht schlecht“ erinnere ich mich meine Großmutter zu mir sagen, während ich als 5 Jährige mit ihr am gepachteten Gemüseacker Unkraut zupfe und dafür zum Dank große saftige Erdbeeren in meinen Mund gestopft bekomme. „Die Leute am Land hatten keinen Hunger“ pflegte sie oft zu sagen, denn „die hatten Erde auf der sie Gemüse anbauen konnten“.
Ich ertappe mich froh zu sein ebenfalls „Erde“ zu besitzen und verbinde diesen Gedanken mit der Hoffnung, dass ich im Fall des Falles in meinem ungarischen Haus leben und überleben kann, wenn mich Orban & Konsorten dann noch ins Land lassen. Ich stelle Überlegungen an, wie ich meinen ungarischen Garten optimieren könnte, damit ich mich und meine Familie mit eigenem Gemüse und Obst überleben könnte. Hühner könnte ich außerdem halten, Gänse und Hasen! Brot backen in meinem Brotbackofen! Ich nehme mir vor im Sommer den Brunnen tiefer zu graben, damit wir eigenes Wasser haben und ich werde mir einen alten Sparherd zulegen, damit ich zur Not unser Haus heizen kann, wenn das Gas aus Russland ausbleibt. Außerdem könnte ich Menschen aufnehmen, also überlege ich, wen und wie vielen Menschen mein Haus Herberge sein könnte – meinen Eltern, den Kinder und Enkelkindern meines Mannes, meinen Geschwistern. Jeder kleinen Familie ein Zimmer. Das würde schon gehen. Im Krieg muss man zusammenrücken.
Was, Ihr haltet mich für überzogen pessimistisch? Doch, doch, ich habe noch Hoffnung! Ohne der Hoffnung würde ich verzweifeln im Moment! Mich stimmen die Demonstrationen gegen Trumps Wahnsinn durchaus zuversichtlich. Ich hoffe auch, dass die österreichischen und europäischen Wählerinnen durch den Wahnsinn dieses narzisstischen Präsidenten erkennen, wie zerstörerisch die Kraft der Nationalisten ist, wie unfassbar sie agieren, wie sehr sie unsere Welt destabilisieren und ihre Macht missbrauchen. Ja dem Machtrausch verfallen ohne Hirn und Weitsicht. Ich habe die Hoffnung, dass viele Menschen aufwachen und unsere liberalen Werte verteidigen werden bei zukünftigen Wahlen. Doch da ist noch Hoffnung. Zum Glück.
Aber meine Pläne, mich für einen Krieg zu wappnen, werde ich im Moment trotzdem nicht mehr vergraben. Weil sicher ist sicher….
Rona meint
Danke für diese klaren und offenen Worte.
Mich lähmt dieser Präsident. Ich habe den Eindruck, keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können.
Er legt ein enormes Tempo vor – und ich habe Angst! Und ähnliche Gedaken.
Sämtliche Dinge (auch die Verhandlung der Parteien am Wochenende) erscheinen neben D.T. unwichtig.
Die Machtlosigkeit macht mir zu schaffen.
Das Gefühl des: Ausgeliefert sein.
Monika Krampl meint
Ich bin 1950 geboren. Also Nachkriegsgeneration. Meine Großeltern bauten ein Haus in einer Einfamlienhaussiedlung vor dem Krieg. Die Gärten sind sehr groß – 1000 m2. Dienten sie doch der Nahrungsversorgung der Menschen. Ich bin 1950 geboren. Also Nachkriegsgeneration. Mit meiner Großmutter war ich schon als Kleinkind im Garten beschäftigt, der uns mit Gemüse, Kartoffeln, Früchten, etc. vorsorgte. Wir hatten Hühner, Hasen und Truthähne.
Dass es immer Krieg geben kann, auch in unserem Land, war mir immer bewusst. Es ist nicht so, dass ich Angst habe oder mich dieser Gedanke irgendwie belastet. Ich weiß es nur. Ich weiß, dass diese Möglichkeit jederzeit gegeben ist. Deshalb auch meine Verwunderung über die Menschen, die kein Verständnis für Flüchtlinge haben. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Nun hat sich mein Sohn, geboren 1968, gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin das Haus gegenüber meinem Elternhaus gekauft. Auch dieses Haus hat natürlich 1000 m2. Als sie sich trennten, sagte mein Sohn zu mir „Mama, ich werde dieses Haus behalten, denn sollte irgendwann ein Krieg kommen, können wir uns vom Garten ernähren.“
Seit einem Jahr wohne ich in einem kleinen Häuschen auf dem Grundstück meines Sohnes. Der Garten ist immer noch groß genug. Ich fühle mich sicher, obwohl ich weiß, dass jederzeit …
Werner Matheis meint
Ich bin Jahrgang 1953,Kind einer Arbeiterfamilie. Aufgewachsen bin ich in Wien 22,Gemeindebauwohnung,gleich neben der Donau. Auf dem sogenannten Überschwemmungsgebiet haben wir Kinder noch in ehemaligen Schützengräben und Bombentrichtern gespielt oder sind auf Schiffswracks,die am Donauufer lagen, herumgeklettert. Den Goethehof „zierten“ noch die Einschußlöcher von 1934.Zahlreich waren die „Kriegskrüppel“ auf den Straßen,in den Geschäften,in den Schulen.
Heute sind sie überall aus dem Straßenbild verschwunden.Die Wenigsten,ich muss gestehen auch ich nicht,können sich wirklich vorstellen wenn Krieg oder Bürgerkrieg herrschen würde. Und Denjenigen,den Flüchtlingen,die vor Krieg und Terror flüchteten,glauben hier viele nicht.
Mir und meinen Eltern ging es damals nicht so schlecht.Meine Eltern hatten einen 5000m2 Schrebergarten gepachtet. Obst,Gemüse,Eier,Hühner und Hasern gab es reichlich. Der Verkauf dieser Produkte finanzierte die Pacht.
Du siehst also im gewissen Sinne bin ich vorbelastet.Ich habe zum Teil eine Ahnung wie es gehen könnte im schlimmsten Fall. Mein Sohn und ich haben vor kurzem von einem Biobauern 2000m2 Ackerfläche gepachtet.Man weiß ja nie was kommen mag,aber derzeit pflanzen wir dort seltene Obstsorten aus.
Ja,die Befüchtungen sind nicht von der Hand zu weisen,daß Krieg und Bürgerkrieg drohen. Trump ist eine Gefahr, aber eine noch größere Bedohung stellen die rechten Faschisten,wie Strache,Petry,Le Pen,Orban,Wilders und Konsorten dar.Ihre nationalistischen Vorstellungen könnten unseren Kontinent wieder in einen blutigen Krieg bzw. Bürgerkrieg stürzen.
Noch ist es nicht soweit.Wir sind da und halten dagegen.Wir müssen laut sein,auf der Straße,im Internet,einfach überall.
Nur so haben wir eine Chance den Lauf der Dinge aufzuhalten und zum Besseren zu wenden.
Blicken wir optimistisch in die Zukunft!
Liebe Grüße
Werner
Monika Krampl meint
Find ich schön, was ihr da macht, Werner – du und dein Sohn!
Ja, laut sein, darauf hinweisen und gleichzeitig optimistisch bleiben … :-)
LG Monika