Es gibt Orte, an die bringt mich im Sommer niemand. Die Altstadt von Salzburg etwa, Venedig, die Adria oder der Balaton. Alleine der Gedanke, mich durch Menschenmassen quälen zu müssen, Bauch an Bauch in der Sonne zu liegen oder am Ballermann Trallala zu veranstalten, löst bei mir Schnappatmung aus. Ich bin wohl eher ein Mensch der Ruhe und des Genusses. Also besuche ich touristisch beliebte Orte lieber dann, wenn die Läden hochgeklappt sind und alles in Schlaf versunken ist. So wie Anfang Jänner. Da war ich am Balaton und habe dort den Winter getroffen.
Balaton, my Love!
Leicht angezuckert und mit blauem Himmel hat er uns begrüßt, der größte Binnensee Mitteleuropas, der Balaton oder, wie die Deutschen ihn nennen, der Plattensee. Zuerst gleich hinein in die Weinberge und hinauf auf einen, bei den Ungarn so beliebten Aussichtsturm. Ins Land hineinschauen, auf den See blicken, durchatmen. Beim Hinuntergehen die vielen, jetzt um diese Zeit verlassenen kleinen Datschas und Weinhäuser bestaunen.
Danach Freunde besuchen in einem kleinen Dorf, gut essen und trinken, miteinander reden. Die Herberge, ein altes Bauernhaus, beziehen, mit den Hunden noch ein wenig durchs Dorf streifen. Und weit und breit keine Touristen. Fantastisch!
Ausflug auf die Halbinsel Tihany
Am nächsten Tag lachte uns, trotz klirrender Kälte, die Sonne entgegen. Mit dem Auto fuhren wir nach Tihany, eine Halbinsel, die in den Balaton hineinragt und ihn unterteilt in einen kleineren nördlichen und größeren südlichen Teil. Hier hat es den Menschen schon sehr früh gefallen. Tihany wurde bereits, so zeigten Ausgrabungen, in der Eisenzeit und Bronzezeit bewohnt.
Auch Tihany zeigte sich uns von seiner gemächlichen Seite. Kaum Menschen auf den Straßen, alle Souvenierläden geschlossen und damit auch keine Kaufverführung :-) Dafür für uns ganz alleine der gigantische Blick, vom Kirchenplateau aus, hinaus auf den See. Voila!
Danach über die Halbinsel gewandert, auf den Ort und seine Kirche geblickt, die Natur genossen. Die Hunde durften Krähen jagen und durchs Schilf stöbern, wir konnten reden und vor uns her träumen.
Einsamkeit am Balaton
Balaton im Winter bedeutet, den See zu erkunden ohne Störung. Mit dem Auto rumfahren, stehenbleiben und Wege runterlaufen, vor sich hin schlafende Orte besuchen, über einsame Badestrände schlendern und menschenleere Bade- bzw. Bootsstege begehen.
Der Herzerl-Friedhof am Balaton
Wenn es eine Sehenswürdigkeit gibt am Balaton, die man unbedingt besuchen muss, dann ist es der unter Denkmalschutz stehende Friedhof mit den herzförmigen Grabsteinen. Er steht direkt an der Bundesstraße und gehört zur Gemeinde Balatonudvan.
Die ältesten Gräber stammen aus dem 18. Jahrhundert, es sind evangelische und katholische Gräber, an einer Ecke gibt es aber auch ein paar jüdische Gräber. Viele Jahre war der Friedhof in einem Dornröschenschlaf. Jetzt aber, und das hat mich sehr gefreut, werden dort in alter Tradition, mit herzförmigem Grabstein, wieder Menschen beigesetzt bzw. die alten Gräber restauriert.
Abends noch der Ausblick auf den Sonnenuntergang. Herz was brauchst Du mehr? Das Leben ist wunderbar! Az élet csodálatos!
Abschließend noch ein Hinweis: Winter am Balaton bedeutet, sich weitgehend selbst versorgen zu müssen. Es hat wirklich alles zu! In den größeren Orten, wo im Sommer der Ballermann tobt, findet man sicher das eine oder andere offene „Etterem“, aber diese Orte interessieren mich nicht. Wir haben uns wunderbar selbst gekocht in unserem angemieteten Bauernhaus.
Winter am Balaton kann aber auch bedeuten, plötzlich und unvermittelt die wahre Gastfreundschaft der Ungarn kennenzulernen. Vor zwei Jahren etwa wurde wir, beim Versuch eine Csárda aufzusuchen, spontan in einen Weinkeller eingeladen. Dort fand gerade ein Schlachtfest und ein Geburtstagsfest statt. „Wenn Sie essen, was wir essen, dann treten Sie ein“, meinte damals der Besitzer des Anwesens. Als wir nach vielen Stunden satt und ziemlich betrunken das Fest verließen und vorher fragten, wieviel wir schuldig wären, hieß es nur: „Kommen Sie einfach wieder!“
Und jetzt noch ein Foto von uns. So sehen wir aus, wenn wir glücklich und zufrieden sind auf einer Reise :-)
Judit Simandi meint
Liebe Ungarn-Begeisterte,
durch das Gedicht von Erich Fried „Alter“ bin ich auf Ihre Seite gestoßen und bin wirklich berührt, mit wieviel Liebe, Wärme und Enthusiasmus Sie von Ihren Reisen, Erlebnissen, Aktivitäten und Begegnungen in Ungarn berichten.
Ja, so ist der Balaton (wo ich meine Kindheit verbracht habe), so ist Szigetköz etc. Da ich nächstes Jahr in die Rente gehe, habe ich durch Ihre Berichte auch neue Anregungen und Ziele gefunden, die ich aufsuchen werde.
Mit herzlichen Grüßen und Dank für Ihre vielfältige und reichhaltige homepage
Judit Simándi
(und: bleiben Sie gesund!)
Sonja Schiff meint
Das freut mich, liebe Judit! Guten Gang in die Pension! Und viel schöne Zeit, wo immer die Reisen auch hingehen. Liebe Grüße Sonja