Vor etwas mehr als 7 Monaten bekam ich eine überraschende Diagnose, einen Monat später war die Operation, danach viele Tage in Dunkelheit und dann eine erlösende Nachricht. Mittlerweile erscheint mir das alles weit weg. Im Alltag vergesse ich das Erlebte meistens. Nur manchmal werde ich daran erinnert. Wie heute, bei einer Veranstaltung, da traf ich auf mehrere Frauen, die mich mit besorgtem Blick fragten, wie es mir jetzt ginge und was ich aus der Zeit der Krankheit mitgenommen habe. Ich schildere dann meistens meine größte Erkenntnis aus dieser Lebensphase und ernte dafür häufig Betroffenheit. Daher ist es mir ein Anliegen Euch heute davon zu erzählen und gleichzeitig ein wenig meine Gedanken und Gefühle zu sortieren.
Die Tage zwischen 22. Dezember und 15. Jänner habe ich als die schwierigste Zeit meines bisherigen Lebens erlebt. Ich wartete nach der überraschenden Diagnose Ovarialtumor auf den Operationstermin, versuchte die Diagnose zu verarbeiten, Hoffnung zu schöpfen, zurück zur Zuversicht zu finden. Von Beginn an habe ich alle Gedanken zugelassen und drei Szenarien durchgespielt in meinem Kopf und meinem Herz. Variante eins, ich sterbe bald. Variante zwei, ich werde rasch wieder gesund. Variante drei, ich muss kämpfen, um meine Gesundheit ringen, finde sie aber dann wieder.
Meine größte Erkenntnis aus dieser Phase nahm ich mit durch die Auseinandersetzung mit der Variante eins. Zu meiner Überraschung stellte ich nämlich fest: „Würde ich jetzt sterben müssen, es wäre okay.“
Es war genau diese Erfahrung, die mich befreite von der Angst, die mich rettete aus dem Dunkel. Nachdem ich tief in mir drin diese Erkenntnis gewonnen hatte, konnte ich mein Schicksal… hmmm wie sag ich es am besten….einer höheren Macht anvertrauen. Ich weiß noch, dass mir der Gedanke „Jetzt darf alles passieren“ durch den Kopf ging und ich meinte damit wirklich ALLES. Im Nachhinein sehe ich diese Erkenntnis als meine größte Kraftquelle in dieser Zeit. Und ein wenig glaube ich sogar, dass es diese Erkenntnis war, die den Weg zurück ins Glück, ins Leben geebnet hat. So als würde der Tod sich denken: Na wenn du eh bereit bist zu sterben, dann kannst du ja noch ein wenig leben.
Klingt verrückt, oder?
Versteht mich bitte nicht falsch. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass alles ganz anders kam, dass ich weiterleben darf, gesund bin und wieder voller Kraft. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen wegen dieser Gedanken, denke mir, hoffentlich werde ich nicht bestraft dafür, sie sind ja fast blasphemisch. Trotz dieser Erkenntnis habe ich nach der Operation – als es hieß, ich hätte Krebs – am ganzen Körper gezittert, verschlang mich die pure Angst. Den Tod zu akzeptieren, anzunehmen, hieß also nicht, keine Angst vor ihm zu haben. Im Gegenteil, da war große Angst. Aber trotz aller Angst, war der Gedanke „Es wäre okay“ immer dabei. Ja, das klingt eindeutig verrückt…..
Diese Erfahrung beschäftigt mich immer noch, ich denke sehr viel darüber nach. Über mein Leben. Wie ich es gelebt habe. Es war eine wirklich große Erkenntnis für mich. Ich habe so viel Zufriedenheit gespürt. Dankbarkeit. Es gab keine Sekunde das Gefühl, etwas zu bereuen oder den Gedanken etwas versäumt zu haben. Keinen Moment. Es gab keine offene Bucket-List an Dingen, die ich unbedingt noch erleben wollte. Ich war einfach nur mit meinem Leben zufrieden. Es war ein buntes, inhaltsreiches, spannendes Leben und ich habe es genützt, so mein Fazit.
Jetzt gehe ich alle drei Monate zur onkologischen Nachkontrolle. Ich hoffe inständig, dass der Tumor nicht mehr wiederkommt. Ich will leben. Mehr noch, ich hab mir vorgenommen alt zu werden. So richtig alt.
Und wer weiß, vielleicht gelingt mir das ja genau wegen dieser wichtigen Erkenntnis.
Claudia Kanz meint
Liebe Sonja,
ich habe in einem ganz anderen Kontext letzte Woche eine sehr ähnliche Erkenntnis gehabt. Nicht so eindringlich und schicksalshaft, aber sie hat sich in der Ruhe eingeschlichen.
Ich habe in meiner Auszeit ein kleines Buch gelesen, das sich mit drei Fragen beschäftigt.
– Warum bist du hier?
– Hast du Angst vor dem Tod?
Und:
– Führst du ein erfülltes Leben?
Nach meinen sehr klaren Antworten auf alle drei Fragen, kann ich mich sehr glücklich schätzen zu sagen, dass mich mein Tod nicht ängstigt, weil ich ein sehr schönes, vielfältiges, ereignisreiches Leben mit viel Liebe, viel Freundschaft und ungewöhnlichen Abzweigungen mit spannenden Wendungen hinter mir habe. Und wissend, da kommen noch mehr, weil ich ich bin und es liebe mich weiter zu entwickeln. Es gibt noch viel zu erleben, und die Erkenntnis, dass da schon viel da ist auf das man zufrieden zurückschauen kann, tut sehr gut. Keine Angst mehr nötig!
Sonja, du bist ein Teil der guten, ereignisreichen Momente und eines meiner Role Models (Du weißt das), dafür danke ich Dir. Weil Du deine Erkenntnisse, oder Fragen und deine privaten Gedanken mit uns teilst und mich nicht selten mitreißt, oder Dinge neu denken lässt oder mich bewegst. Nicht nur metaphorisch.
<3 C
Sonja meint
Erleben wir wohl gerade eine ähnliche Phase. Ich freue mich für dich, dass du diese Erkenntnis gewonnen hast. Und…wir sind und wohl gegenseitig Role Model! Was gibt es Schöneres! Umarmung!
Bri vom Meer meint
Eine schöne Erfahrung hast Du da inmitten dieser ernsthaften Bedrohung gemacht. Ich denke immer, im Grunde haben wir alle schon eine lebensbedrohliche Diagnose : Wir werden sterben, das ist sicher. Warum leben wir nicht SOFORT so ,als ob wir das wirklich wüssten ?
Sonja meint
das stimmt :-) danke für deinen gedanken!
Huberta meint
Sehr berührend. Aber wie hast du s geschafft, diese Haltung einnehmen zu können?
Herzlichen Gruß
Huberta
Sonja meint
Hallo Huberta, kann ich nicht erklären. Diese Antwort war einfach in mir, als ich mich fragte, wie es wäre, müsste ich jetzt sterben. Ich denke ich habe ein gutes Leben gelebt bis jetzt, ich hab alles ausprobiert, hab mir kaum etwas versagt, hab nichts auf später aufgeschoben….vielleicht deshalb. Liebe Grüße!