„Echt jetzt, Urlaub in Deutschland?“ fragte mich eine liebe Bekannte, nachdem ich ihr erzählt hatte, dass ich ein paar Tage auf Kurzurlaub in Deutschland war. Um ehrlich zu sein, 15 Jahre früher hätte ich wohl genauso reagiert. Deutschland als Urlaubsland war ein fast abwegiger Gedanke. Wir Österreicherinnen und Deutschland, das ist schon eine ganz spezielle Beziehung. Aber dann trat ein deutscher Mann in mein Leben, wurde zuerst Lebenspartner und kurz darauf auch noch Ehemann, und seitdem entdecke ich nach und nach das mir fremde Deutschland und bin oft sehr begeistert. Dieses Mal habe ich mich sogar verliebt in meinen Urlaubsort.
Rüdesheim am Rhein. Die gelernte Österreicherin verzieht keine Miene.
R ü d e s h e i m, wie das schon klingt! Leute, Ihr mit Euren Vorurteilen!
Rüdesheim ist eine sehr bekannte deutsche Weinstadt. Das entzückende Städtchen liegt im hessischen Rheingau, den man gut vergleichen kann mit der österreichischen Wachau, und gehört mit zum UNESCO-Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal. Wie in vorigen Beiträgen schon dargestellt liegt Rüdesheim am schönen Rhein und ist umgeben von Weinbergen. Am Rheinufer gegenüber liegt übrigens ein Ort mit dem Namen Bingen, bekannt für eine große Bürgerin, der Hildegard von Bingen. Wenn man den Rhein mit Schiff oder Auto hinauf und hinunter fährt, dann begegnet man jede Menge Burgen. Eben ganz so wie in der Wachau!
Warum dann so weit fahren, wenn es dort eh ist wie in der Wachau? Nun, weil es eben doch eine deutsche Weinstadt ist. Frankfurt ist gleich ums Eck, was dazu einlädt, nach Weinbergwanderung und Rheinfahrt, auch Großstadtluft zu schnuppern. Außerdem muss es zur Hauptsaison hier zugehen wie auf dem Kirmes. Eine völlig andere Dimension an Tourismus als in Österreich. Ich habe noch in keiner Stadt so viele Restaurants, Bars, Cafes und Weinschenken in einer Altstadt gesehen wie in Rüdesheim. Dicht an dicht, ein Lokal nach dem anderen. Da müssen aus meiner Sicht tausende Menschen am Tag abgefüttert und mit Alkohol versorgt werden. Am bekanntesten ist übrigens die Drosselgasse. Sie ist 2 Meter breit, 144 Meter lang, kopfsteingepflastert, besteht quasi nur aus Weinstuben und wird beworben mit dem Slogan „144 Meter Lebensfreude“. Jährlich ziehen 3 Millionen Menschen durch diese Gasse und es heißt, die würden alle auch ein paar Gläschen (zu viel) heben. Mir wurde erzählt im Sommer geht’s hier rund, wie in Österreichs Skihütten im Winter. Mallorca-Feeling. Die Drosselgasse ist also so etwas wie die Säufergasse Deutschlands.
Wir aber waren in der Vorsaison in Rüdesheim und ich würde allen Menschen, die im Urlaub nicht die Aneinanderreihung von Exzessen suchen, empfehlen im März/ April nach Rüdesheim zu kommen. Da ist es in diesem kleinen Städtchen schön ruhig und in den Lokalen ist das Personal SEHR freundlich. Wir waren auf alle Fälle, bis auf eine kleine Gruppe Chinesen, alleine und konnten ungestört durch die Gassen der Altstadt wandern. Sogar unsere beiden Hunde konnten wir frei laufen lassen. Was für ein Genuss!
Ich fand die Weinstadt Rüdesheim ganz bezaubernd. Ich habe es geliebt, dass Rüdesheim noch etwas im Winterschlaf war und sich erst daran machte zu erwachen. Ich sah schöne Fachwerkhäuser, prächtige Bürgerhäuser, eine alte Burg, kleine und verwinkelte Innenhöfe und dazu eine feine Promenade entlang des Rheins, die zu langen Abendspaziergängen einlud.
Ich konnte mit meinem Mann und den Hunden schlendern und flanieren, verweilen, betrachten, genießen und dem Glockenspiel lauschen. Beide konnten wir außerdem unsere Leidenschaft fürs Fotografieren ausleben. Keine Menschen, die ins Bild liefen!
Rüdesheim wirkt irgendwie, als wäre es in der Zeit stehen geblieben. Vor allem an der Rheinuferpromenade scheint die Zeit still zu stehen. Die Geschäfte und Eissalons sind wie aus den 80er Jahren. Wäre da nicht dazwischen auch ein Kebabladen und ein Thai-Restaurant, könnte man beim Flanieren glauben eine Zeitreisende zu sein.
Sehr sympathisch fand ich auch, dass in manchen Geschäften noch die Weihnachtsdekoration in der Auslage hing. Winterschlaf eben. Vorsaison. Wir sahen dadurch ein Stück hinter die Fassade dieser Tourismusstadt, bekamen Rüdesheim von der nicht so perfekt herausgeputzten Seite zu sehen. Gerade das machte den Kurzurlaub in Rüdesheim für mich so besonders. Ich sehe gerne eine Stadt wie sie tatsächlich IST und nicht, wie sie vorgibt zu sein.
Dazu passt dann auch noch der Laden von Asbach Uralt. Die Firma Asbach Uralt ist wohl eines der berühmtesten „Kinder“ Rüdesheims und eine große, alte deutsche Marke. Ich finde Asbach Uralt passt irgendwie zu Rüdesheim und Rüdesheim passt zu Asbach Uralt.
Also dann: Prosit entzückendes Rüdesheim am Rhein!
Wer jetzt noch mehr über die Gegen erfahren will: Ein wunderbares kleines Portrait vom Nachbarort Assmannshausen hat mein Mann geschrieben, nachzulesen in der Dorfzeitung.
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