Seit einigen Monaten beschäftige ich mich, zusammen mit der Salzburger Architektin Ursula Spannberger, mit einem Projekt zum Thema Wohnen im Alter. Wenn alles gut geht, dann starten wir im Jänner 2018 mit einem gemeinsamen Angebot.
Aus diesem Grund bin ich im Moment ständig auf der Suche nach Informationen und Eindrücken zum Wohnen im Alter. Vor allem interessiert mich die Perspektive älterwerdender und alter Menschen. Wie lebt es sich in einem großen Haus voll mit Erinnerungen? Wie fühlt es sich an, wenn die alte, nicht barrierefreie Wohnung das Leben erschwert? Wie ist es Tag für Tag alleine zu sein? Was bedeutet es, umziehen zu müssen und sich von Erinnerungen verabschieden zu müssen? Fragen über Fragen.
Dann ist mir vor einigen Tagen dieses ganz wunderbare Buch begegnet. Ich liebe dieses Buch seit dem ersten Augenblick. Alleine der Titel! Und dann dieses Foto am Deckblatt, es ist als könnte man der alten Dame beim Reden zuhören. Ich nehme das Buch jetzt fast täglich in die Hand, blättere darin, betrachte die Fotos und lese einen Text, dann lege ich das Buch wieder weg, lass die Gedanken sacken, um diesen wunderbaren Bild-Text-Band einen Tag später wieder zur Hand zu nehmen.
ALTWEIBERWOHNEN. Gespräche und Fotografien über das Wohnen im Alter
Der erste Absatz lautet:
Ein Kellerzimmer im Pergamonmuseum, direkt unter dem Altar. Ein Haus auf dem Land, vollbeladen mit Heiligenfiguren und Souvenirs. Ein altes Zechenhaus am Stadtrand, über Jahre liebevoll restauriert, oder eine Altbauwohnung inmitten des Stadtgeschehens. Leben ist immer auch Wohnen, und die vier Wände, die uns umgeben, illustrieren und erinnern an die Geschichte eines Lebens und sind selbst Teil davon. Je älter man wird, desto mehr wird die Wohnung zum Lebensmittelpunkt – ein vertrauter Ort, wo man viel erlebt hat und der auch selbst viel erzählen kann.
Der Inhalt:
Juliana Socher, freie Fotografin und Ulrike Scherzer, studierte Architektin, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema Wohnen im Alter beschäftigt, waren zu Besuch bei 19 Frauen im Alter von Ende 70 bis 95 Jahre und sprachen mit ihnen über ihre Wohnbiografie. Das Ergebnis sind 19 einfühlsame Portraits in Wort und Bild, wunderbare Portraits alter Frauen und ihrer Wohnungen.
In den einzelnen Portraits erzählen die alten Frauen von ihren Wohngeschichten und damit gleichzeitig auch aus ihrem Leben. Es wird der Bogen gespannt von gestern zu heute, die Frauen erzählen was sie an ihren Wohnungen lieben, wie sich die Wohnungen oder Häuser für sie verändert haben, wo sie ihnen im Weg sind oder wie die Wohnung sie unterstützt bis zur Frage nach Hilfestellungen und wo sie diese herbekommen.
Da gibt es etwa die 95jährige Rahel A., die mit ihrem Mann in der ganzen Welt zu Hause war, in Südafrika, Mexiko, New York. Als ihr Mann pensioniert wurde, zogen die beiden nach Stockholm. Doch Rahel wurde in dieser Stadt nie richtig heimisch. Also baute sie sich ein Haus in Hessen, am Land, im Dorf ihrer Kindheit. Bis zum Tod des Mannes lebte das Paar dann eine Beziehung auf Distanz, der Mann kam regelmäßig zu Besuch.
Die 93jährige Erika K. hat ihr Leben in einem oberösterreichischen Dorf verbracht hat, als Dorflehrerin, und nun lebt sie immer noch im Lehrerhaus. Früher, in der Familienphase, war ihr das Haus immer viel zu klein, aber jetzt im Alter hat das Haus für sie genau die richtige Größe und so plant Erika K. sogar hier in diesem Haus zu sterben. Die ehemalige Lehrerin hat viele Kontakte, besucht regelmäßig Frauenrunden um Dorf, ist beim Seniorenverein aktiv dabei und erhält von vielen Seiten Hilfe, meistens von ehemaligen SchülerInnen.
Anne-Liese D., 91 Jahre alt, lebt in einem kleinen Einfamilienhaus mit großem Garten in der Nähe von Mannheim. Sie betreut immer noch mit Leidenschaft ihren Garten, auch wenn sie dabei Abstriche machen musste. Ihren Garten bezeichnet sie als ihr schönstes Zimmer. Anne-Liese D. ist gerne mit sich alleine, sieht im Alleinsein nichts Schlimmes. Im Gegenteil, sie meint: „Ich kann jetzt alles machen was ich will – das konnte ich jahrzehntelang nicht!“
Die portraitierten Frauen leben in Österreich und Deutschland, am Land oder in der Stadt, in der Altbauwohnung, einem Mehrfamilienhaus, Einfamilienhaus, Reihenhaus, in einer Villa oder im alternativen Wohnprojekt. Die Interviews geben wunderbar sensible Einblicke in ganz unterschiedliche Frauenleben, die großartigen Fotos ergänzen die Texte, sie geben Einblick in intime Wohnwelten, wahren aber trotzdem die Distanz und sind keine Sekunde voyeuristisch.
Meine persönlichen Gedanken zum Buch
Habe ich schon gesagt, dass ich dieses Buch liebe? Okay: Ich liebe dieses Buch!
Beim Lesen ist mir wieder einmal klar geworden, mit welch eingeschränktem Blick ich eigentlich alte Menschen betrachte. Mein Mann nennt mich ja immer wieder „pflegegeschädigt“ und spielt dabei auf meine lange Berufserfahrung mit dem Thema Altenpflege an. Und irgendwie hat er schon Recht.
Für mich war es etwa eine richtige Erkenntnis, dass alleine zu leben im Alter nicht zwangsläufig bedeuten muss, sich einsam zu fühlen und krank zu werden. Mehrere Frauen in diesen Portraits genießen ihr Alleinsein. Mehr noch, eine der Frauen meint etwa, dass sie manchmal denken würde, vor allem wenn sie sich sehr vertiefen würde in ein Thema: „Hoffentlich klingelt jetzt keiner.“
Nachdenklich gemacht hat mich die Aussage einer anderen alten Frau. Es geht darum, dass sie Hilfe benötigen würde und wie sie sich diese Hilfe organisieren würde. Die Dame meint, sie hätte als Hilfe lieber Nachbarn, weil „Altenpflegeprofis, die dann so einen betulichen Ton anschlagen“, habe sie immer schon gescheut.
Für mein Projekt mit der Architektin nehme ich die Bestärkung mit, dass Wohnen im Alter und auch bei Pflegebedürftigkeit essentiell ist, weil sich eben das Leben immer mehr auf die Wohnung reduziert. Ich nehme mit wie wichtig ein interessanter Blick nach draußen ist, wie wichtig Licht ist und der ganze Nippes, den die Menschen besitzen und vor allem, wie groß der Schritt für alte Menschen eigentlich ist, ihre Wohnungen zu verlassen.
ALTWEIBERWOHNEN. Gespräche und Fotografien über das Wohnen im Alter
Ulrike Scherzer. Juliana Socher
150 Seiten. Residenz Verlag.
Danke an Ulrike Scherzer für die nette Reaktion bei meiner Kontaktaufnahme und dem Residenz Verlag für das kostenfreie Rezensionsexemplar.
Ute Jaschke meint
Hallo Frau Sonja Schiff,
ich würde Sie gerne mal persönlich kennen lernen.
Mit besten Grüßen
Ute Jaschke
Sonja meint
Hallo Frau Jaschke, dazu wohnen wir wohl etwas zu weit voneinander weg. Aber wer weiß! Hab übrigens Ihre Telefonnummer gelöscht im Kommentar, denke das wäre doch zu öffentlich. Liebe Grüße!
Gerhard Hajny meint
Ja, das Thema beschäftigt meine Frau und mich auch schon seit einiger Zeit.
Darum haben wir uns auf den Weg gemacht, Neuland betreten……
Details unter http://www.wohnprojekt-kemeten.at oder auf facebbok unter https://www.facebook.com/wohnprojekt.kemeten
WOHNPROJEKT KEMETEN
Gemeinsam den Weg des Älterwerden gehen:
aktiv – kreativ – innovativ
Eine zukunftsweisende Wohn- und Lebensform für Menschen 50 plus stellt sich vor.
Menschen über 50 machen sich auf den Weg eine gemeinschaftliche altersgerechte Wohnform vorzubereiten. Wir, Hanna Hajny-Parth und Gerhard Hajny haben einen geeigneten Platz gefunden, wo sich diese Idee verwirklichen lässt. Sie fragen sich, wie wir uns das vorstellen? Vielleicht sind auch Sie in einer ähnlichen Situation??
Nach 25 Jahren Familien- und Arbeitsleben haben mein Mann und ich begonnen uns Gedanken und Visionen für eine Zeit nach dem gemeinsamen Leben mit unseren drei Kindern zu machen.
Eine Lebensphase ist abgeschlossen, das Haus, so wie es für die Familienphase gut war, passt nicht mehr für ein Älterwerden.
Die familiäre Gemeinschaft wird erweitert durch Menschen, die sich aktiv damit auseinandersetzen eine neue Gemeinschaft zu bilden.
Unterstützung- auch durch professionelle HelferInnen sollte eingeplant werden.
An diesem Platz leben Menschen mit der Einstellung, miteinander zu kooperieren, Themen und Lebensprozesse zu teilen und dies in Eigenverantwortung zu leben.
Mit Gleichgesinnten macht es Freude und vieles ist leichter und einfacher.
Der Raum soll frei von Dogmen, offen und selbstorganisiert sein.
Unser Hauptanliegen ist, dass wir weiterhin Dinge im Leben tun, die Freude bereiten.
In einer Gruppe von Menschen gibt es sicher viele solcher freudvollen Dinge. Wenn z.B. einer gerne Rasen mäht, aber nicht gerne kocht, und andererseits jemand gerne kocht, aber den Rasenmäher eher als stinkendes Ungetüm sieht, und dann vielleicht noch eine dritte Person weder gerne kocht, noch Rasen mäht, aber dafür einen grünen Daumen hat und gerne im Garten arbeitet, ergeben sich im Normalfall eine Arbeit die man gerne macht und zwei, die man zwar machen muss, wo aber die Freude fehlt. In einer Gemeinschaft kann man sich das anders einteilen und sich mehr auf die freudvollen Tätigkeiten konzentrieren und damit auch mehr Spaß und Lebensfreude genießen. Dies hält wieder jung und lebendig.
Wir haben nur wenige Vorbilder, wie Generationen vor uns ihr Älterwerden gestaltet haben, oder es trifft für uns heute nur noch selten zu. Deswegen wollen wir neue Formen des respektvollen gemeinschaftlichen Alterns entwickeln – eine Basis schaffen für ein lebenswertes Wohnen und miteinander Leben.
Wir haben schon Wohnprojekterfahrung gesammelt, die wir in dieses neue Projekt einfließen lassen.
So haben wir im Jahr 2008 eine passende Immobilie in Kemeten gefunden.
Kemeten ist ein kleiner Ort zwischen Oberwart und Stegersbach im sanft hügeligen Südburgenland, 120 km von Wien und 80 km von Graz entfernt.
Kemeten liegt mitten in der malerischen und klimatisch sehr angenehmen Thermenregion.
Das Grundstück befindet sich auf einem sanften Westhang, ca. 1km vom Ortskern entfernt, hat eine Fläche von knapp 1,4 ha, wovon 9000m² Baugrund und der Rest Grünland (für Obst-, Gemüse- und Kräutergarten, Kleintierhaltung und mehr) gewidmet sind. Die wunderschöne Aussicht reicht vom Hochwechsel bis zum Pöllauberg bei Hartberg.
Auf dem Grundstück befindet sich schon ein renoviertes Bauernhaus das zurzeit zum Kennenlernen der Umgebung und als Projektzentrale genutzt werden kann, später als Gästehaus, Personalhaus……
Sonja meint
Das klingt aber sehr gut!! Spannend! Haben Sie schon ein fertiges Projekt oder sind sie noch in der Entwicklungsphase? Die Architektin und ich sind auf der Suche nach einen Vorzeigeprojekt für unser neues Angebot. Gerne mehr via Mail. Beste Grüße Sonja Schiff