Gesellschaft ist und war immer schon in Bewegung. Jahrelang gab es viele Kinder, die Babyboomer wurden geboren, dann ging die Geburtenrate zurück, jetzt und in den kommenden Jahren haben wir mehr alte Menschen in der Gesellschaft, im Moment kommen viele Flüchtlinge und mit ihnen im Übrigen auch viele Kinder.
Wandelt sich eine Gesellschaft, schlägt sich das selbstverständlich auf die Sozialausgaben eines Staates nieder. Werden viele Kinder geboren, sind vorrangig Kosten für Familien zu bezahlen, etwa Kinderbeihilfe, Familienbeihilfe, aber auch Ausgaben für Kindergärten, Schulen, Kinder- und Jugendbetreuung. Ist der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft hoch, steigen die Kosten im Bereich Pensionen, Pflege und die Ausgaben zur Errichtung von Pflegeheimen, Wohnformen für ältere Menschen.
Die einzige Zahl, die diese Bewegungen und damit die Sozialausgaben in unserer Gesellschaft korrekt darstellen kann, ist die sogenannte Sozialleistungsquote (sie beinhaltet alle sozialen Ausgaben eines Staates gemessen am Bruttoinlandsprodukt). Interessant dabei. Die Sozialleistungsquote verändert sich nur marginal und war auch immer schon in Bewegung. In Österreich betrug sie 1975 fast 26%, 1997 waren es 28% und 2013 waren es 29,8%. In Deutschland war sie 1975 bei 30%, 1997 bei 29% und 2013 lag sie bei 29,1%.
Trotz dieser Zahlen, aus denen eindeutig nicht darauf geschlossen werden kann, dass die steigende Anzahl alter Menschen die Staatsaushalte aushebeln und den jungen Generationen jede Zukunftsperspektive nimmt, wird die Panikmache weiter geschürt. Es wird vom Anstieg der Pensionen erzählt und vom Anstieg der Pflegekosten. Es wird uns also nur die halbe Wahrheit erzählt, der andere Teil der Wahrheit, nämlich dass sich Gesellschaft immer schon bewegt hat und die Sozialausgaben insgesamt im Lot sind, dieser Teil wird uns verschwiegen. Man redet von Rentnerlawinen und von Altenlast, davon dass sich das mit den Renten nicht ausgehen wird und wir uns die Pflege der vielen Altern bald nicht mehr leisten können. Man schürt Angst. Seit mehr als 20 Jahren Jahrzehnten wird diese Angst vor den vielen Alten geschürt. Mit Erfolg. Die Angstmache hat längst begonnen zu wirken.
ORF-online berichtet heute davon, dass immer mehr Menschen befürchten im Alter ihren Lebensstandard nicht halten zu können, nur noch 9% vertrauen darauf einmal eine sichere Pension zu erhalten. Wer profitiert davon? Richtig, Banken und Versicherungen. Während das Vertrauen in die staatliche Pension sinkt, steigt das Vertrauen in private Vorsorge. Im ersten Halbjahr 2015 wurden in Österreich um 13% mehr Lebensversicherungen abgeschlossen als im Vorjahr.
Hier geht’s zu dem Artikel: http://salzburg.orf.at/news/stories/2735644/
Wir Menschen glauben also den Panikmachern, wir glauben jenen, die mit falschen Zahlen Angst herbeireden. Wir hören auf einer unseren größten Errungenschaften zu vertrauen, dem Sozialstaat. Stattdessen klammern wir uns an Versicherungen und an Banken, an profitorientierte, globalisierte, multinationale und börsennotierte Unternehmen. Was für ein Hohn!
In Wirklichkeit folgen wir damit wie Lemminge einer, vor Jahrzehnten von WHO und EU entwickelten, neoliberalen Wirtschaftsstrategie, deren einziges Ziel es ist, den Sozialstaat zu destabilisieren und gleichzeitig den „Markt“ zu stärken.
Diese Strategie hat Erfolg. Sie wirkt und wirkt und wirkt und wirkt…..
Literaturtipp: Amann, Anton & Kolland, Franz. 2008. Das erzwungene Paradies des Alters? Fragen an eine kritische Gerontologie.
Horst Konrad meint
Gegen die Mißmachung der sozialstaatlichen Altersversorgung wäre hervorzuheben, privatrechtliche Versicherungsverträge gehören zu der Gruppe der Glücksgeschäfte! Das heißt, wenn bei einem der Vertragspartner zufällig etwas nachteiliges geschieht, hat der andere Vertragspartner einen Vermögensschaden zu erleiden. So geschehen bei einigen privaten Pensionsversicherungen, deren Wertpapiere wertlos geworden sind.
Niemand hat diesen Personen den Vermögens- und Altersvorsorgeverlust je ersetzt.