Früher, als ich noch „jung und dumm“ war, gingen mir Frauen, die von ihrem Garten und der Gartenarbeit schwärmten unglaublich auf die Nerven. Genauso wie Frauen, die im Sommer vom Marmelade einkochen redeten und Frauen, die im Herbst anfingen Socken für den Winter zu stricken. Weiberkram, dachte ich damals. Für mich Revoluzzerin viel zu bieder, viel zu angepasst, viel zu hausfrauenmäßig. Ich wollte das Leben in meinen Adern spüren, wollte Abenteuer, Risiko, Sex, Drugs & Rockn-Roll, wollte jede Sekunde nützen für Spaß und Party. Gärtnern, das war die Leidenschaft einer in die Jahre gekommenen Biederfrau.
Tja, und da bin ich jetzt scheinbar angelangt mit meinem 50. Wobei ich mich immer noch nicht als bieder erlebe. Wie sich Einsichten doch verändern im Laufe der Jahre und des Lebens.
Heute kann ich im Februar kaum erwarten, bis der Schnee wegschmilzt, die gefrorene Erde taut und die Zeit des Gärtnerns naht. Bis es im April dann endlich losgeht, studiere ich Gartenbücher und wälze Pläne, räume ungeduldig den Gartenschuppe auf, freu mich wie ein Kleinkind auf die ersten Krokusse, Tulpen und Narzissen. Und dann geht es endlich los. Mein Gemüsegarten will vorbereitet werden für Kartoffeln, Salat, Melanzani & Co. Der Steingarten will einmal durchgezupft werden, Sträucher wollen hochgebunden werden, die Gräser geschnitten und der Rasen gedüngt.
Ich verbringe heute Stunden in meinem Garten und vergesse dabei die Zeit. Mein Garten ist mein Energiespender geworden. Können viele nicht verstehen. „So viel Arbeit“ meinte erst kürzlich wieder eine Freundin und fügte mit Kopfschütteln an: „Was Du dir da antust“.
Stimmt, so ein Garten macht Arbeit. Immer und die ganze Zeit. Aber ich erlebe es nicht als Arbeit. Gärtnern ist meine Meditation geworden und mein Fitnesscenter. Gestern erst hab ich 20 Säcke Erde herangekarrt, ins Hochbeet gekippt und dabei die Oberarm- und Rückenmuskulatur trainiert und geschwitzt wie nach einer Stunde am Stepper.
Ich liebe meinen Garten. Und ich liebe es zu sehen, wie er sich Jahr um Jahr verändert. Hier etwa mein Lieblingsplatz vor 4 Jahren und heute:
Die wilde Zeit bei mir ist eindeutig vorbei. Sex, Drugs & Rockn-Roll hatte ich genug, wilde Abenteuer auch, Risiko ist das gesamte Leben und das Blut in meinen Adern fließt mittlerweile etwas gemächlicher. Dafür sehe ich jetzt Dinge, an denen ich früher achtlos vorbeigerannt wäre. Etwa wie eine Schlange einen Frosch frisst, innerhalb von 30 Minuten und hey, ich war jede Minute live dabei. Oder wie eine Igelmama mit ihrem Igelkind durch den Garten streift. Im Moment warte ich darauf, dass der Mohn zu wachsen beginnt, kann seine Blüte kaum erwarten. Und ich bin sehr gespannt, ob ich heuer tatsächlich das erste Mal eigene Zuckermelonen ernten werde.
Wie heißt es so treffend: Alles hat seine Zeit im Leben.
Fotocredit: Sonja Schiff
Der Artikel ist am 22. Mai 2015 zuerst auf der Plattform Fisch + Fleisch erschienen.
Andersreisender meint
Also ich finde Gärten klasse. Vor ein paar Jahren habe ich mich etwas intensiver mit meinem Balkongarten (mehr Platz ist leider nicht) beschäftigt. Naja… nun bin cih scheinbar wieder in der „wilden Zeit“, ich bin einfach zu viel auf Reisen. Da verdörrt dann leider der hängende Garten wieder. Und auch die „Früchte der Gartenarbeit“ kann auch niemand abernten.
Aber: Es kommen wieder andere Zeiten, wo ich mich voll und ganz dem Garten widmen kann. Vielleicht sogar schon vor dem 50. Geburtstag. :-)
PS: Ich komme gerne einmal zur „Inspektion“ vorbei!
Sonja Schiff meint
wann? bin im juni, juli und august fast immer in ungarn. vielleicht hast mal lust auf eine motorradtour zu uns? :-)
Andersreisender meint
Ja, da hätte ich durchaus Lust drauf! Die Frage ist nur wirklich: „Wann?“ Wir sollten mal gemeinsam in den Terminkalendern blättern. :-)
Christa meint
Bei mir war das ähnlich. Opa, der sonst wunderbar war, herrschte mit strengem Regiment über „seinen“ Garten. Ball spielen war verboten, könnte ja ein Zweiglein von den Obstbäumen abbrechen oder der Ball in das akribisch bearbeitete Gemüsebett rollen.
Während alle Nachbarskinder im Sommer schon unterwegs ins Schwimmbad waren, mussten wir noch Ribisel ernten.
Und heute – begrüße ich jede Erdbeere einzeln, die gerade auf meinem Balkon reif wird. Eifrig beobachte ich, wie aus Samenkörnern Gewürze und Salat heranwächst. Und besonders freut mich, dass ich den wunderschön rot blühenden Johannisbeersalbei (ein Duftsalbei) so gut durch den Winter gebracht habe.
Ich kann deine Gartenliebe gut verstehen. Weiterhin frohes Schaffen und freudvolles Genießen.
Sonja Schiff meint
DANKE!!! Diesen Johannisbeersalbei muss ich auch haben….. :-)