Manchen meiner Leserinnen ist es vielleicht aufgefallen. Hier am Blog gab es einen ganzen Monat lang Pause, keinen einzigen Artikel seit 22. September! So eine lange Unterbrechung gab es hier noch nie. Es war auch nicht so, dass ich nichts zu erzählen gehabt hätte. Ganz im Gegenteil, es sind in den letzten Wochen sehr ungewöhnliche Dinge passiert in meinem Leben. Aber etwas hielt mich zurück. Wie es dazu kam, erzähle ich Euch heute.
Eine folgenschwere Begegnung.
Vor einigen Wochen hatte ich einen geschäftlichen Termin. Dabei war ich in Kontakt mit vielen mir fremden Menschen, die zu derselben Veranstaltung gekommen waren. Als ich an meinem Platz saß und wartete, sah ich eine Frau den Raum betreten. Sie beäugte mich mit neugierig fragendem Gesicht, kam dann auf mich zu, fragte „Sind Sie Sonja Schiff?“ und als ich zustimmte, meinte sie mit einer seltsam sorgenvollen Stimme: „Und, bist Du wieder ganz gesund?“ Danach erfuhr ich, wie sehr sie mit mir mitgefiebert hatte Anfang des Jahres, als mich eine Tumorerkrankung quälte, und dass Sie sich freue, mich endlich persönlich kennenzulernen.
Auch wenn Ihr das jetzt vielleicht nicht verstehen könnt – ich blogge ja freiwillig aus meinem Leben und selbstverständlich habe ich oft darüber nachgedacht, ob und wieviel ich von mir preisgeben will – aber es hat sich trotzdem seltsam angefühlt in dem Moment. Irgendwie war es spooky, einem wildfremden Menschen gegenüber zu stehen und festzustellen, dass ich für ihn ein offenes Buch bin. Es hat sich befremdlich angefühlt, bei einem mir unbekannten Menschen auf so viel Vertraulichkeit zu stoßen. Diese Begegnung hat mich nachhaltig verstört. Auch weil diese Frau danach noch ganz selbstverständlich, als wäre sie eine Freundin, danach fragte, ob wir mal zusammen spazieren gehen wollen.
Etwas in mir hat sich verändert.
Seit diesem Ereignis habe ich einige Male angefangen einen Artikel zu schreiben, wollte Euch berichten aus meinem Leben. Doch dann habe ich das Vorhaben gestoppt und mich gefragt: „Will ich das tatsächlich fremden Menschen erzählen?“ Nein, wollte ich nicht. Im diesem Moment nicht. Vielleicht auch nie wieder. Ich weiß es noch nicht.
In meiner Lebenskrise rund um die Jahreswende 2018/ 2019 habe ich Euch, meine LeserInnen, teilhaben lassen an meinem Prozess der Krankheitsbewältigung. Ich wollte mich bewusst nicht zurückziehen, weil das so viele Menschen tun, wenn sie krank sind. Ich wollte zeigen, dass man sich nicht verstecken muss, wenn es einem so richtig schlecht geht. Und Ihr habt mich wirklich ein Stück getragen mit Euren wunderbaren Kommentaren und Eurem Mitfiebern! Ihr habt mir gut getan und ich bereue meine Offenheit wirklich keine Sekunde. Trotzdem war das oben geschilderte Erlebnis schräg. Es hat etwas verrückt in mir.
Neues Konzept für meinen Blog?
Jetzt tüftle ich an einem neuen Konzept für meinen Blog. Wie soll er in Zukunft aussehen? Eines weiß ich, ich will keinen beliebigen Blog mit oberflächlichen 0815-Berichten betreiben. Göttin bewahre! Davon gibt es schon viel zu viele! Schade um die Zeit! Ich möchte unbedingt weiterbloggen, einfach weil ich gerne schreibe, gerne öffentlich nachdenke, gerne öffentlich Diskurse führe. Aber noch weiß ich nicht, wie und wohin sich mein Blog entwickeln könnte. Keine Ideen derzeit.
Also habe ich beschlossen erst einmal das Bloggen einzustellen. Manchmal führt etwas Abstand zu neuer Erkenntnis. Veränderungen müssen wachsen dürfen, sich entwickeln können, ganz ohne Plan und Ziel. Mal schauen, was da kommt.
Wenn Ihr als meine LeserInnen Ideen habt oder wenn Ihr Euch von mir bestimmte Inhalte wünscht, dann schreibt mir die doch in die Kommentare. Wer weiß, vielleicht wächst mit Euren Input hier Neues!
Alles Liebe für Euch einstweilen! Und danke für Eure Lesetreue!
Sonja
Gabi meint
Hallo Sonja
mir ist es schon aufgefallen, daß Du Dich zurückgezogen hast. Auch Deinen anderen Beitrag habe ich gelesen, daß Du schreiben willst wie Du magst. Ich habe auch gemerkt, daß ich nicht dauernd verlinken mag usw. Manchmal komme ich mir sehr öffentlich vor, trotzdem mache ich erst mal weiter. Lass Dir einfach Zeit für Neues, ich bin ganz sicher, Dir fällt was ein. Aufhören kann man immer noch.Liebe Grüße Gabi
Sonja meint
danke gabi :-)
Claudia Braunstein meint
Liebe Sonja, ich würde es sehr schade finden, wenn du ganz aufhören würdest. Bloggen bedeutet auch verändern, Projekte umwerfen und neu gestalten. Ideen kreieren und wieder verwerfen. Bloggen ist Weiterentwicklung, manchmal auch Schritte nach hinten. Ja, es verstört tatsächlich manchmal, wenn einem fremde Menschen so nahe komme. andererseits, wir hätten uns ohne Blog nie kennengelernt. Du hast eine offene Webseite, die dir alles und nichts gestattet, auch Pausen einzulegen. Es ist nix dabei sich für eine Weile zurückzuziehen, aber ganz aufhören, das würde ich echt schade finden.
Liebe Grüße, Claudia
Sonja meint
Hallo Claudia, ganz aufhören tu ich eh nicht. Brauch einfach eine Pause. Und vielleicht ein neues Konzept. Mal sehen. Dass ich Dich kennengelernt habe, spricht eindeutig FÜR das Bloggen ;-) Bussal!
Michaela Schmitz meint
Liebe Sonja, auch mir fällt es nicht immer leicht, mich persönlich zu outen. Aber am Ende steht für mich immer – wäre das mein letzter Tag – was will ich den Menschen noch berichten?
Mach‘ weiter DANKE Liebe Grüße Michaela
Sonja meint
Hallo Michaela, danke für Deine Gedanken :-D
Karin Austmeyer meint
Liebe Sonja,
wie du weißt, bin ich in meinem Blog genau so offen wie du. Auch ich bin mit meiner Krebserkrankung sehr offen umgegangen und die vielen Reaktionen, der Zuspruch der da kam, hat mir unendlich gut getan. Nun hat mich dein heutiger Beitrag selbst zum Nachdenken gebracht. Es ist etwas vollkommen anderes, wenn dir dutzende Menschen schreiben und dir auf diese Weise Unterstützung geben, als diese Menschen auf einmal um mich zu haben und zu erkennen, die wissen viel über dich, aber du kennst sie ja garnicht.
Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich so authentisch bleiben möchte, heißt ich bleibe wie ich bin. Wenn mir tatsächlich einmal so etwas passieren sollte, wie dir gerade, kann das ja auch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft oder zumindest einer anregenden Bekanntschaft sein,
Laß dir Zeit zum Nachdenken, aber ich wünsche mir, dass du so bleibst, wie du nun mal bist.
Liebe Grüße
Karin
Bess meint
Ich gehöre zu den Frauen in Grau. Und interessiere mich für die Leben all der anderen Frauen in meiner Situation. Ihre Erlebnisse, ihre Lektüre, ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihre Krankheiten, ihre Ängste, ihre Gedanken, ihre Freuden …
Ich bin gespannt, wie du den Blog weiterführen wirst und freue mich darauf.
Maria meint
Liebste Sonja,
du bist und bleibst einer meiner Herzensmenschen. Auch wir hätten uns ohne deinen Blog nie kennengelernt. Und ich habe dich immer für deine bedingungslose Blog-Offenheit bewundert. Manchmal aber dachte ich auch: ooh, wie kann ich denn nur adäquat auf so Intimes reagieren?! Wohlgemerkt: Obwohl ich immer das Gefühl habe, dass wir uns irgendwie nahestehen…
Das spitzte sich – in meiner Wahrnehmung – zu, als ich auf deine Frage, ob wir es denn aushalten können, dass du so hautnah von allem erzählst, geantwortet habe nein, ich halte es nur sehr schwer aus. Seitdem quält mich das regelrecht. Ich bin einerseits sicher, dass du es verstehen kannst (vor allem ist es die schiere Hilflosigkeit, die damit einhergeht) andrerseits habe und hatte ich das Gefühl, dich im Stich gelassen zu haben. (Was nicht ganz stimmt… Ich wollte dir noch was ins Krankenhaus schicken, aber das klappte nicht…)
Was ich sagen will: gerade, wenn ein Mensch einem sehr am Herzen liegt, ist es immer sehr schwer, mit dessen Leid umzugehen. Und so öffentlich, vor aller Augen, noch schwerer. Dazu kommt: Ich hab auch gar keine Erfahrung damit – und du bist da ganz anders als ich. In meiner Krebszeit wollte ich immer nur allein sein, am liebsten mit gar niemandem reden, an Bloggen nicht zu denken…
Das alles wollte ich dir schon sooo lang mal sagen! Und ein weiteres Mal bin ich total glücklich darüber, dass du alles so offen tust/getan hast, dass ich dir hier auch öffentlich antworten kann… Fakt ist: Ich war in Gedanken gerade schon dabei, dir eine Mail zu schreiben – aber so, ganz öffentlich, finde ich es jetzt VIEL besser!
Danke dir von Herzen dafür, dass du uns allen stets die Möglichkeit gegeben hast, uns so ungeschminkt austauschen zu können! Das hatte für mich immer Vorbildcharakter… Aber die „Risiken“ gibt es halt auch. So eine Begegnung wie die, von der du erzählst, wäre mir auch spooky vorgekommen… Kurz: Ich bin sehr gespannt auf das, was jetzt kommt… Die Frau Braun, die habe ich grad erst im Augenwinkel gesehen…
Ich umarme dich,
danke für alles!
Maria
Sonja meint
Liebe Maria, keine Sekunde habe ich mich im Stich gelassen gefühlt! Mach Dir da bitte keinen Kopf. Man kann ja auch in Gedanken bei jemanden sein! Ich freue mich Dich in München wieder zu sehen. SEHR!