Mein Leben ist im Umbruch. Seit Monaten schon. Aber erst seit heute nehme ich diesen Umbruch in seiner gesamten Tragweite auch wahr. Umbrüche schmerzen, sie machen Angst, sie lösen Verstörung aus. Meine Gefühlswelt ist derzeit mit einer Hochschaubahn zu vergleichen.
Interessant für mich: Während meine Partnerschaft stabil ist und tragfähig, brechen mir plötzlich meine langjährigen Frauenfreundschaften weg. Frauen, die Jahre meines Lebens eine große Rolle gespielt haben, die mich jahrelang an Salzburg gebunden haben, weil ich es nicht ertragen hätte, die Tiefe dieser Freundschaften zu verlieren, sind plötzlich nicht mehr oder nur noch am Rande Teil meines Lebens. Vermeintliche Lebensfreundschaften entpuppen sich als Lebensabschnittsfreundschaften. Wo Tiefe war ist plötzlich belangloses Geplapper. Wo Vertrauen war, ist plötzlich Abschottung. Wo Verbundenheit war, ist plötzlich Oberflächlichkeit und Distanz.
Sicher habe auch ich Fehler gemacht. Keine Frage. Ich bin nicht unfehlbar. In manchen Momenten hätte ich vielleicht meinen Mund halten sollen. Zu direkt. Zu klar. Zu offensiv. Keine Frage. Da waren Fehler. Ich habe wohl verletzt. Aber wer, wenn nicht die beste Freundin kann sagen, was sie sich denkt? Wer, wenn nicht die beste Freundin, kann Dinge beim Namen nennen? Wer, wenn nicht die beste Freundin, kann blinden Flecken antippen und Fragen stellen? Jahrelang war das klar, jahrelang war das der Grund für die Tiefe der Freundschaft. Jahrelang.
Plötzlich bin ich zu viel. Plötzlich bin ich dominant. Plötzlich bin ich jemand, vor dem sich die beste Freundin abschotten muss, in Sicherheit bringen muss. Plötzlich passe ich irgendwie nicht mehr.
Tut weh. Tut so weh, dass ich fast an mir zu zweifeln begonnen habe. An mir und meiner Fähigkeit zu Freundschaft. An meiner Fähigkeit mit Menschen wertschätzend umzugehen.
Doch dann erinnerte ich mich. Das Leben ist wie ein Fluss, das habe ich doch in den letzten 51 Jahren selbst erfahren, immer und immer wieder. Im Leben hat alles seine Zeit, seinen Zweck und letztlich auch seinen Sinn.
Menschen entwickeln sich eben auch auseinander, in Partnerschaften wie in Freundschaften. Menschen, die sich lange Jahre gegenseitig stützen, können sich plötzlich unerwünschter oder bedrohlicher Spiegel sein. Mein Leben hat ein Höllentempo, ich suche laufend nach Neuem und nach Herausforderungen, Probleme geh ich rasch und lösungsorientiert an, Unklarheiten spreche ich direkt und eindeutig an. Heute mehr denn je. Das kann schon Angst machen, das kann zur Bedrohung werden, wenn das Gegenüber anders tickt. Das kann Menschen, die sich nah waren, entfremden.
Und dann hat da auch noch das Mysterium Leben etwas mitzureden. Wenn alles Vertraute plötzlich wegbricht, wenn alles dich an einen Ort Bindende plötzlich wegfällt, vielleicht ist das auch das Zeichen dafür, dass die Zeit gekommen ist, Zelte abzubauen, die schon halb abgebaut sind. Vielleicht ist der Umbruch dann eigentlich ein Aufbruch? Und vielleicht hat deshalb alles letztlich auch seinen Sinn.
Hoffentlich.
Monika Krampl meint
Altbekannt – so ist es ….
Wenn Du schreibst, dass der Umbruch dann eigentlich ein Aufbruch sei, gehst du’s von der anderen Seite an ;-)
Bei mir waren meine Veränderungen/Aufbrüche mehrmals auch schmerzhafte Umbrüche in meinen Freundschaften …
Sonja Schiff meint
liebe monika, danke für deine worte. es tröstet zu hören, dass auch andere das erleben. und danke dafür, dass du immer auch hier am blog kommentierst. das schätze ich sehr!!!
Monika Krampl meint
<3 :-)
rochus gratzfeld meint
Nun liebe Sonja, wie dir bekannt, habe ich diese Erfahrungen in meinem Leben immer wieder gemacht, gerade jüngst wieder. Ich halte sie für die „Unerwünschten Wirkungen“ des Prozesses Leben. Sie sind schmerzhaft, aber auch eine Arznei, deren „Erwünschte Wirkung“ die Veränderung ist. Auf dem Beipackzettel steht: „Es können Verstörungen, Irritationen, Ängste, und Trauer, aber auch Wut auftreten.“ Diese Symptome klingen aber in der Regel nach einiger Zeit der Neubesinnung ab und machen Hoffnung, Perspektiven und neuen Erfahrungen Platz. So hat es in meinem Leben selten so viele neue Bekanntschaften gegeben, von denen einige das Potential zu echten Freundschaften haben, wie in den vergangenen 12 Monaten.
Ingo meint
Ehrlichkeit vertragen viele nicht. Wobei man auch Fragen könnte, wenn es doch sehr gute Freundinnen warn, warum können sie nicht einfach drüber hinwegsehen?
Christa meint
Liebe Sonja, fühle dich von mir umarmt.
Sonja Schiff meint
:-) danke christa!!
Renate meint
Liebe Sonja,
ich habe das auch erlebt und es war sehr schmerzlich. Die beste Freundin erwies sich dann leider auch nur als Bekannte auf Zeit. So lange ich brav zuhörte, war alles gut. Mit dem Älterwerden sage ich immer mehr meine Meinung. Viele können damit nicht umgehen. Zu einer richtigen Freundschaft gehört für mich, dass man sich auch streiten kann und nicht immer der gleichen Meinung sein muss.
Werden wir im Alter kratzbürstiger? Oder stehen wir einfach mehr zu uns selbst?
Liebe Grüße
Renate
Sonja Schiff meint
Liebe Renate, ich denke manchmal ist der „Spiegel“ unerträglich, nämlich dann wenn er Schritte anzeigt, die man selbst unmöglich tun kann. ich denke im Alter wird man kompromissloser….
Renate meint
Liebe Sonja,
stimmt, ich stehe hier und kann nicht anders!
Alles Gute.
Renate