Maria, die jetzt seit 2 Monaten bloggt, hat in ihrem Blog Unruhewerk eine Blogparade gestartet rund um die Frage „Wie viel Persönliches/Privates muss, kann, sollte ein Blog enthalten?“ Da mich diese Frage seit Jahren begleitet und ich mir zu Beginn meiner Bloggereien viele Gedanken dazu gemacht habe, oft sehr unsicher war, mir immer wieder den Vorwurf der Selbstdarstellung gefallen lassen muss, vor allem wegen des Selfieprojekt 50plus, mach ich bei der Blogparade mit.
Hier meine Gedanken dazu, mein Umgang mit Privatheit am Blog und in den SocialMedia-Kanälen generell.
Mittlerweile treibe ich seit mehr als 10 Jahren mein Unwesen in den Weiten des world wide web. Angefangen hat alles mit Blogs. Ich hatte mich gerade selbständig gemacht als Trainerin für Altenpflegethemen und hatte deshalb kein Geld für eine richtige Homepage, also hab ich einen Blog gestartet, um meinen Kunden von mir zu erzählen. Wunderbarerweise hat das funktioniert, obwohl rückblickend betrachtet, war mein Online- Auftritt eine Zumutung. Wussten meine Kunden aber nicht, im Gegenteil, die waren beeindruckt von mir und meinen digitalen Fähigkeiten. Beruflich bin ich übrigens danach nicht auf eine klassische Homepage umgestiegen. Der Firmenauftritt von Care.Consulting ist immer noch ein Blog. Allerdings ein wenig gepflegter, das Internet spielt bei mir in der Akquise kaum eine Rolle.
Später habe ich dann noch für eine Kunstinitiative gebloggt, ein Verein den wir gegründet haben, die Wandergalerie. Alle Projekte, alle Veranstaltungen wurden damals (der Verein stellte seine Aktivitäten 2011 ein) sehr erfolgreich über diesen Blog und über Social Media Kanäle beworben. Und seit ein paar Jahren bin ich Mitorganisatorin des Carecamp, einer besonderen Tagung zum Thema „Pflege“, auch hier läuft die Bewerbung ausschließlich über Blog und Soziale Medien.
Was diese drei Blogs eint ist die Distanz. Hier ging es (oder geht es immer noch) um die Darstellung von Kompetenz oder Wissen, um die Darstellung von Angeboten, Aktionen, Veranstaltungen oder Seminaren. Diese Blogs haben klare Ziele und richten sich an Kunden oder an Kunstinteressierte.
So um 2008 entdeckte ich dann den Microblogging-Dienst Twitter und war sofort süchtig danach. Hier bröckelte auch erstmals meine Distanz. Twitter ist einfach ein geiles Tool, mit dem man so viel Spaß haben kann und bei dem rasch die Grenzen fallen. 140 Zeichen sind schnell hingetippt, dazu noch ein Foto hochladen, voila. Ich musste nach einigen Monaten meine Twitteraktivitäten auf Eis legen, weil ich war nur noch am tippen, ständig machte es am Handy „ping“ und „ping“ und ich sollte ja schließlich auch noch arbeiten. Heute nütze ich Twitter nur noch rudimentär, dafür aber sehr intensiv Facebook, wobei ich dort zu Beginn nur Leute als „Freunde“ angenommen habe, die ich auch persönlich gut kannte. Aber das ist auch lange her…..
Warum ich das jetzt so ausführlich dargestellt habe?
Nun, weil mein Umgang mit Bloggen und Social Media ein langer Prozess war und ist. Ich habe nach und nach, über all die Jahre, immer mehr von mir gezeigt. Und eines ist klar, ich bin ein Social Media Freak. Nicht im Sinne „überall dabei“, sondern im Sinne „ich probiere alles aus und behalte, was ich mag“.
Für mich sind die Sozialen Medien einfach wunderbar und mittlerweile unentbehrlich. Ich nütze sie mehrmals täglich! Dabei bin ich in Kontakt mit Freunden und interessanten Menschen, hole mir Infos, frage meine Community um Rat, melde mich krank und hole Genesungswünsche ein, lasse meine Community teilhaben an meinen Herausforderungen, wie auch an meiner Freude, etwa mit meinen Hundeblog über Prinzessin Nutella. Ich lasse thematische Testballons raus und klopfe so Themen ab, ich hol mir Input zu Fragestellungen oder Feedback zu Überlegungen. Meine Community hat mich 2013/ 2014 durch meine Masterthesis durchgetragen (danke an meine Betreuerin Dr. Sol Haring, die via Facebook den Fortschritt meiner Masterthesis verfolgte und danke an Dr. Wilfried Schnepp, der mich eines nachts um drei Uhr tröstete und mir erzählte, dass das Chaos in meinem Kopf bedeuten würde, bald den Durchbruch zu schaffen. Seinen begeisterten Zuruf: „Das ist Wissenschaft!“, werde ich wohl nie vergessen!) und im Jahr 2015 durch die Entstehung meines Buches „10 Dinge, die ich von alten Menschen über das Leben lernte“ (danke an alle fürs immer und immer wieder Mut machen!).
In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass die Sozialen Medien nur ihre Kraft und Dynamik entwickeln können, wenn ich mich zeige. Wie überall im Leben ist es ein gegenseitiges Geben und ein Nehmen. Ich gebe Einblicke in mich, meine Gedanken, mein Leben und ich bekomme Einblicke von anderen. So entsteht Vertrautheit und so entsteht ein Miteinander. Klar achte ich auf meine Privateinstellungen, klar poste ich keine Nacktfotos von mir und meine Streitereien oder Versöhnungen mit meinem Partner gehen auch niemanden etwas an.
Ich denke mein Umgang mit meinem Blog und den Sozialen Medien entspricht meiner Persönlichkeit. Ich bin eine sehr offene Frau, ich zeige mich auch im Leben. Ich bin immer schon nach außen gegangen mit meinem Gefühlen, etwa mit den Bildern die ich male und jetzt auch mit meinem Buch. Da fällt mir spontan noch ein, ich lebe auch ohne Vorhänge :-) Ich lebe im dritten Stock eines alten Gründerzeithauses und mein Gegenüber kann in mein Wohnzimmer und in meine Küche sehen. Ich pflege nicht mich zu verstecken. Nur am Klo und im Bett gebe ich keine Einblicke :-)
Mit meinem Blog „VielFalten“ war ich zu Beginn vorsichtig. Ich habe rasch gemerkt, dass lange Texte tief werden können und mich dann natürlich gefragt, wie nah ich Leserinnen lassen will. Auch die Frage, ob ich mich zu verletzlich mache, habe ich mir gestellt.
Aber ehrlich: Was soll mir Schlimmes passieren können? Klar, da kann jemand den Kopf schütteln über mich, es kann auch sein, dass mich manche belächeln oder mir vorwerfen, ich hätte einen Selbstdarstellungswahn. Aber hey, ich bin über 50!! Ich hab so viel überlebt, bin durch so viel durchgetaucht, mich haut so schnell nichts mehr um! Außerdem, ich steh zu mir, zu meiner Meinung, zu meinen Stärken, zu meinen Schwächen. Thats me!
Und eines zeigen meine Blog-Statistiken klar, meine Leserinnen mögen meine Offenheit. Ist doch auch verständlich! Wir wollen beim Lesen eines Blogs unterhalten werden, wir wollen mitdenken, mitleiden, mitfiebern, mitlachen, mitweinen, wir wollen uns identifizieren können mit der schreibenden Person, wollen uns wiederfinden in den Gedanken des Gegenübers. Tun wir das nicht, kommen wir nicht mehr zurück auf diesen Blog!
Klingt jetzt als würde ich auch Privatheit pfeifen. Nein, tu ich nicht. Ich frage mich bei jedem einzelnen Beitrag den ich schreibe, bevor ich auf „veröffentlichen“ klicke, ob ich wirklich will, ob es für mich wirklich okay ist, dass davon die Welt erfährt. Wenn meine innere Stimme keinen Einspruch erhebt, dann geht der Artikel raus.
Nach 10 Jahren Bloggen und Social Media hatte ich noch keine einzige Situation, in der ich einen Nachteil erfahren habe durch meine Offenheit. Im Gegenteil. Vieles wäre nie möglich geworden ohne meine Offenheit.
bernhard jenny meint
liebe sonja, du beschreibst hier wunderbar, wie es mit den social media welten so läuft. und die grenzen sind ziemlich ident mit den meinen. gratuliere und wünsche dir weiterhin schöne erfahrungen mit deiner offenheit!
Sonja Schiff meint
lieber bernhard, danke für deinen kommentar. ja, du bist auch so ein offener blogger! und einer mit klaren standpunkten. deshalb wohl auch ein vielgelesener. lieben gruß!
rochus gratzfeld meint
Wer offen ist, hat nichts zu verbergen.
Das macht unangreifbar.
In einer demokratischen Grundstruktur.
Alles Andere möchte ich mir gar nicht vorstellen müssen.
Doch auch da hilft nur die Offenheit.
Wenn Frau oder Mann dafür nicht vorher getötet werden.
Ich jedenfalls bleibe. Offen.
Frau Doktor meint
Ich sage Danke für die Offenheit und ja so würde ich es aus meiner Sicht auch beschreiben, wenn auch meine Aktivitäten im Netz etwas rückläufig sind. Das hat aber nur etwas mit dem Offline-Leben zu tun, manchmal muss ich auch schlafen, wegen der Falten ;-)
Birgit meint
Liebe Sonja,
dein Motto: „Fortgeschritten Leben“ – finde ich klasse. Und dazu gehört auch, sich zu zeigen und zu sich und zu den Dingen zu stehen, die für dich Bedeutung haben.
Schade, dass ich das Medium Bloggen erst vor ca. 2 Jahren kennen gelernt habe. Als mein Vater an Demenz erkrankte, hätte ich mit Blogs wie deinem eine gute Unterstützung gehabt.
Übrigens finde ich, dass eine gesunde Portion Offenheit dazu beiträgt, weniger unnahbar zu sein. Mir selber hat das auch erst Mut gemacht, zu bloggen, als ich sah, dass da auch nur „normale“ Menschen im Netz sind. Es gibt immer wieder Situationen, da hilft es uns allen mehr, einen Tipp von jemanden anzunehmen, der da schon „durch“ ist, als von einem Experten im Elfenbeinturm.
Liebe Grüße und weiterhin viel Freude damit
Birgit
Sonja Schiff meint
Hallo Birgit, schön, dass Du meinen Blog gefunden hast! Ja, finde auch, dass man viel lernen kann über Blogs, über BlogautorInnen. Erfahrungen anderer sind das größte und interessanteste Lernfeld. Liebe Grüße!